Alltag als Gott

Was für ein Aufschlag für die ersten offiziellen U20 NRW-Meisterschaften im Poetry Slam! 

Gütersloh hat sich als Standort durchaus ein wenig Ruhm für dieses Event jüngster Dichtkunst verdient – und wenn machbar einen dicken historischen Eintrag bei Wikipedia. Siegerin im großen Finale und damit als erste in die ewige Ruhmeshalle eingezogen ist die 17-jährige Paderbornerin Daniela Sepehri mit dem durchaus aufrüttelnden Text »Das Mädchen«.

Bereits im Vorfeld stand ein weiterer Gewinner fest: Aaron Schmitt, Schüler der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule Borgholzhausen. Er gewann den von Bertelsmann im Januar initiierten Dichter-Wettbewerb, der anlässlich der Meisterschaften ausgeschrieben wurde. Der erst 12-Jährige durfte sein Gedicht vor dem großen Showdown der etablierten Jung-Dichter auf der Bühne dem Fachpublikum präsentieren und legte dank GüterslohTV und Carl zeitgleich seinen ersten TV-Auftritt mit einem eigenen Text aufs Bühnenparkett. 

Unterstützung hatte Aaron sich dank 35 Freikarten für seine Mitschüler direkt mitgebracht. Er performte auf der Bühne seinen Text »Mein Alltag als Gott« – und von Nervosität war bei dem 12-Jährigen nichts zu spüren. Schließlich trug er einen Text über sein Lieblingsthema vor: »Ich habe eine ganze Reihe Bücher über griechische Mythologie gelesen und kenne mich mit dem Thema gut aus. Außerdem hat es mich interessiert, wie die alten Götter in unserer modernen Gesellschaft zurechtkommen würden«, schildert Aaron Schmitt die Entstehungsgeschichte seines Beitrags. Die ersten Zeilen haben wir mitgeschrieben:

Hier ein Ausschnitt aus dem Text

» ... «

Ich hab mich mal hingesetzt und nachgedacht. Ihr Menschen meckert ja immer an allem rum. Aber wenn ihr Götter als Eltern hättet, stellt euch das mal vor. Also ich bin ja… Gott und mein Papa Zeus weckt mich immer ganz liebevoll mit 2000 Volt-Stromschlägen. Aber so‘n Typ aus der »6b« hat mal erzählt, dass sein Vater Poseidon ihn immer nen halbes Mittelmeer ins Gesicht kippt. Da will man gar nicht wissen, wie der Totengott seine Kinder wach kriegt …

So, dann steht man auf – was bleibt einem anderes übrig – und überprüft sein Frühstück auf Vergiftung. Die eifersüchtige Stiefmutter Hera war mit Sicherheit kein bisschen daran beteiligt. Vergiftung dritten Grades, ihr wisst, was ich meine: da steht diese unscheinbare rote Schale mit weißen Punkten. Sollte eigentlich schon Warnung genug sein. Und dann auch noch Müsli mit Rosinen. Seid wachsam.

Wenn man dann einen unsterblichen Löwen, eine Hand voll menschenfressender Pferde und den Drachen des Mundgeruchs besiegt hat, ist man in der Schule, wo man sich von seiner Mathelehrerin Athene anhören kann, dass man exakt 2 Minuten und 35 Sekunden zu spät ist. Meistens gibt noch irgendein charmanter Mitschüler weise Worte wie: »Ey jo, du stinkst mega nach Drache. Diggah« von sich.

Nach diesem Aufklärungsakt darf man sich setzen. Immerhin: den Eselshut hat man nicht bekommen …

 

Text: Ben Hensdiek
Foto: Sven Grochholski