Nach 51 Jahren: Erich Ruppik verlässt Bertelsmann

29.06.2012 Autor: Bertelsmann // Bertelsmann Kanal

Erich Ruppik

Gütersloh. „Da stand ich als junger Spund an meinem ersten Arbeitstag vor einer Kollegin, die zeitgleich ihr 15-jähriges Dienstjubiläum feierte, und dachte nur: ‚Niemals bleibst du solange hier‘.“ Das war am 1. April des Jahres 1961. Der junge Auszubildende war damals noch keine 16. Sein Name: Erich Ruppik. Doch er blieb. 51 Jahre lang – bis zum morgigen 30. Juni 2012. Der Vorsitzende des Konzernbetriebsrates, der dieses Gremium und die Rolle der Arbeitnehmervertreter bei Bertelsmann über Jahrzehnte hinweg gestaltet und geprägt hat wie nur wenige andere, scheidet aus dem Unternehmen aus, wenige Tage nach seinem 67. Geburtstag und nach 22 Jahren an der Spitze der höchsten Arbeitnehmervertretung des Konzerns. Die Leitung des Gremiums übernimmt zunächst Ruppiks Stellvertreter Helmut Gettkant, bis der Konzernbetriebsrat im September einen neuen Vorsitzenden wählt.

Eine Feier? Große Worte? Abschiedsreden? Würdigungen? Nicht mit einem Erich Ruppik. Vorerst zumindest nicht. Das alles lehnt er ab, obwohl er seinen Platz in der Bertelsmann-Geschichte sicher hat, so wie seine beiden Vorgänger Martin Wolf und Jochen Werner. Erich Ruppik ist bescheiden und zieht die leisen Töne vor, so wie er es immer getan hat – auch wenn es in harten Verhandlungen zwischen Betriebsräten und Geschäftsführungen ums Ganze ging. Und das Ganze, das war für ihn immer Bertelsmann. „Erich Ruppik hat für unser Unternehmen gelebt, und er ist ein Teil unseres Unternehmens geworden. Sein Abschied von Bertelsmann fällt mir und uns genauso schwer wie ihm. Uns bleibt nur, Erich Ruppik für die Zukunft von Herzen alles Gute, Gesundheit und neue, spannende Aufgaben zu wünschen. Ich verbinde diesen Wunsch mit einem tiefen Dank für all das, was er für Bertelsmann geleistet hat“, würdigt Liz Mohn die Arbeit des scheidenden Konzernbetriebsrates.

Für Thomas Rabe war Erich Ruppik – wie vor ihm für vier frühere Vorstandsvorsitzende – stets ein „konstruktiver Gesprächspartner“. Der Vorstandsvorsitzende wörtlich: „Ich habe gegenüber den Arbeitnehmervertretern immer wieder deutlich gemacht, dass unsere Geschäftsführer starke Betriebsräte als Sparringspartner in den Unternehmen brauchen, um diese gemeinsam mit den Mitarbeitern – und nur gemeinsam mit ihnen geht das – erfolgreich fortzuentwickeln. Erich Ruppik war ein starker Betriebsrat. Er hat diese Position niemals für sich persönlich oder seine eigenen Interessen genutzt, sondern immer und ausschließlich für Bertelsmann. Wir waren uns nicht in allem einig – das liegt in der Natur der Sache. Aber wir haben einen guten Draht zueinander. Ich danke ihm für eine exzellente Zusammenarbeit.“

Als Erich Ruppik im April 1961 seine Ausbildung Bertelsmann begann, kam er in ein mittelständisches Unternehmen, das sich unter der Führung Reinhard Mohns gerade anschickte, eine Wachstumsgeschichte zu schreiben, die Ihresgleichen suchen sollte. Das Unternehmen expandierte und expandierte, suchte ständig neue Mitarbeiter, bildete sie in einer eigenen Berufsschule aus, um den Bedarf zu decken, ging ein Jahr später den ersten Schritt ins Ausland, nach Spanien und weitete seine Geschäfte vom Verlags- und Clubgeschäft in immer neue Branchen und Regionen aus. Erich Ruppik erinnerte sich anlässlich des 50. Jahrestages seines Ausbildungsbeginns im vergangenen Jahr im BENET-Gespräch: „Der Laden brummte. Bertelsmann wuchs und wuchs. Wer sich da beworben hat und die entsprechenden Fähigkeiten mitbrachte, konnte, ja er musste sofort anfangen.“

Erich Ruppik hat sich beworben und musste anfangen. Er machte direkt nach der Realschule eine Ausbildung zum Industriekaufmann und wechselte noch aus dem dritten Lehrjahr heraus ins Konzernberichtswesen der damaligen Hauptverwaltung. Er war zuständig für die Bereiche Planung und Ist-Rechnung – und er hatte das Glück, eng mit Reinhard Mohn zusammenzuarbeiten. Denn dieser Mann und diese Zusammenarbeit haben Erich Ruppik nachhaltig geprägt: „Die Freiheiten, die Reinhard Mohn uns gegeben hat, und die Verantwortung, die er seinen Mitarbeitern übertrug, das gab es nur hier.“ Durch Mohn hätten er und seine jungen Kollegen Kräfte geweckt, von denen sie nie zuvor geglaubt hätten, dass sie ihnen innewohnten.

Diese Kräfte entfaltete Erich Ruppik, der sich selbst bis heute als Kaufmann und Zahlenmensch sieht, aber nicht nur in seinem unmittelbaren Arbeitsumfeld, sondern schon früh auch als Vertreter seiner Kolleginnen und Kollegen und ihrer Interessen. Sieben Jahre lang war er Jugendvertreter und kümmerte sich vor allem um die Belange der Auszubildenden. 1972 wurde er Mitglied des Betriebsrates der Hauptverwaltung, von 1981 bis 2010 dessen Vorsitzender. Seit 1990 leitete er zudem den Konzernbetriebsrat.

„In dieser Funktion war Erich Ruppik ein entschiedener Verfechter unserer Unternehmenskultur. Sie zu bewahren, das war sein wichtigstes Anliegen und es war seine größte Leistung“, zollt Konzernpersonalchef Immanuel Hermreck dem scheidenden Konzernbetriebsrat, der übrigens noch bis August Mitglied des Aufsichtsrates der Bertelsmann AG bleibt, Respekt und fährt fort: „Erich Ruppik wurde nicht müde darin, einzufordern und nachzuhalten, dass diese Kultur auch wirklich in den Unternehmen gelebt wird. Verstöße dagegen hat er mit Vehemenz angeprangert und gegenüber den Verantwortlichen Klartext geredet.“ Dabei habe er, so Hermreck weiter, Erich Ruppik nie als weltfremden Sozialromantiker erlebt. Im Gegenteil: „Er wollte, dass es Bertelsmann gut geht, damit es auch den Mitarbeitern gut geht.“

Und weil es Bertelsmann mit Erich Ruppik gut gegangen ist, wird es zu seinem Ausscheiden natürlich noch eine Feier und eine Würdigung geben, allerdings erst im November. Wahrscheinlich zeitlich nicht allzu weit entfernt vom Herbstgespräch, jenem Gipfeltreffen zwischen Vorstand und Konzernbetriebsrat, das auch für Erich Ruppik seit Jahrzehnten einer der, wenn nicht der wichtigste Tag seines Arbeitsjahres war. Denn dort stellten und stellen die beiden Gremien gemeinsam jeweils wichtige Weichen für die Zukunft von Bertelsmann.