Bertelsmann-Lesereihe: Sabine Thiesler las vor 160 Gästen
18.04.2016 Autor: Bertelsmann // LoCarl
„In meinen Büchern verarbeite ich meine Ängste. Wenn ich eine Blumenwiese sehe, erfreue ich mich nicht an der Schönheit, sondern male mir aus, was dort Schlimmes passieren könnte.“ Dies verriet Sabine Thiesler am Mittwochabend in Gütersloh, als sie im Rahmen der Bertelsmann-Lesereihe BELESEN ihren neuen Roman „Und draußen stirbt ein Vogel“ vorstellte. Sie sei eben mit mehr krimineller Fantasie als andere auf die Welt gekommen, erklärte sie den 160 Gästen im vollbesetzten Saal des Bambi-Kinos.
Solche düsteren, reflexhaft einsetzenden Assoziationen können eine Belastung sein. Sie sind aber auch eine gute Voraussetzung, um packende Thriller zu schreiben. Bereits mit ihrem ersten Roman „Der Kindersammler“ stand die Heyne-Autorin monatelang auf den Bestsellerlisten, ebenso mit den folgenden Büchern „Hexenkind“, „Die Totengräberin“, „Der Menschenräuber“ und „Nachtprinzessin“.
Wie schon die acht Vorgängerbände, spielt „Und draußen stirbt ein Vogel“ in der Toskana, die langjährige Wahlheimat der gebürtigen Berlinerin. Fast anderthalb Stunden lang ließ Thiesler das Publikum an einer Geschichte teilhaben, die bereits nach den ersten Sätzen klingt wie eine Erzählung aus ihrem eigenen Leben.
Im Mittelpunkt stehen die Schriftstellerin Rina Kramer sowie ein zunächst unbekannter Mann, der sich jedoch schnell als Stalker entpuppt. Zunächst beobachtet er Rina nur heimlich bei ihrem letzten Auftritt einer Lesereise, bevor er beschließt, ihr nach Italien zu folgen. Dort macht er ihr abgelegenes Anwesen in der Toskana ausfindig und bittet darum, ihr Ferienhaus für die Dauer eines angeblichen Urlaubs zu mieten. Rina freut sich über den Gast und willigt sofort ein. Doch der anfangs sympathische Manuel verhält sich von Tag zu Tag merkwürdiger. Als sie bemerkt, was er vorhat, ist es schon zu spät.
Tatsächlich basiere die Handlung auf einer eigenen Erfahrung, antwortete Thiesler im Anschluss auf eine entsprechende Frage. Bei drei Sommeraufenthalten auf ihrem Anwesen in der Toskana habe sie ein Unbekannter regelmäßig aus der Ferne beobachtet und sogar bedroht, als ihr Mann den Fremden zur Rede stellte. Später habe sie dann herausgefunden, dass er alle Bücher von ihr besaß. „Und draußen stirbt ein Vogel“ sei auch ein Versuch, diese unheimliche Erfahrung zu verdauen – natürlich mit einer Eskalation, die ihr persönlich zum Glück erspart geblieben sei. „Wenn ich darüber schreibe, geht es mir am Ende jedes Mal besser“, verriet sie.
Wo auch immer Sabine Thieslers nächster Roman spielen mag, zum Vorlesen komme sie auf jeden Fall wieder gerne nach Gütersloh, teilte sie dem Publikum mit. Der Satz war nicht nur Ausdruck üblicher Höflichkeit, sondern ihrer positiven Erfahrung an diesem Abend: „Ich finde es toll, dass Menschen in der heutigen Zeit noch so lange so aufmerksam und ruhig zuhören können, wie sie es heute gemacht haben.“