Adnan Maral: „Ich will nicht erduldet werden“

04.02.2015 Autor: Bertelsmann // LoCarl

// Foto: Bertelsmann

Bertelsmann-Lesung: Schauspieler Adnan Maral las aus seinem Buch „Adnan für Anfänger“

Ostanatolische Zwergbergziegen bekamen die Zuhörer am Dienstagabend während der Lesung des Schauspielers und Bertelsmann-Autors Adnan Maral nicht zu sehen oder hören. Der Autor, der im Rahmen der Bertelsmann-Lesereihe BELESEN nach Gütersloh gekommen war, hatte nämlich ausgesprochen gute Laune. Er lachte viel und machte Scherze mit dem Publikum und dem Tontechniker, der mit einem störrischen Mikrofon zu kämpfen hatte. Und wie in seinem im vergangenen September erschienenen Buch „Adnan für Anfänger – Mein Deutschland heißt Almanya“ nachzulesen ist, kommen die besagten Zwergbergziegen nur dann zum Vorschein, wenn er wütend ist, wenn er beispielsweise als vermeintlicher Ausländer ungerecht behandelt wird. Dann ergreifen sie Besitz von ihm und trampeln alles nieder, was ihnen im Weg steht. „Dir sind wohl die Ziegen gekommen“, sagen die Türken dann.

Doch dafür gab es an diesem vergnüglichen Abend im Bambi wie gesagt keinen Grund. Und so konnte sich Adnan Maral vor rund 160 Bertelsmann-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern ganz seinem eigentlichen Thema widmen, das ihn in seinem Buch und schon den größeren Teil seines Lebens umtreibt. Nämlich der Frage, wie es denn eigentlich um die Integration der in Deutschland lebenden Türken bestellt ist. Schon beim Begriff „Toleranz“ stellen sich ihm die Nackenhaare auf. „Das kommt vom Lateinischen ‚tolerare‘, was so viel wie erdulden heißt“, erzählt Adnan Maral, der seit frühester Kindheit in Deutschland lebt. „Ich möchte aber nicht ‚erduldet‘ werden, ich möchte akzeptiert werden“, betont der Autor. Das sei doch gar nicht so schwer, ist er überzeugt. „Ich muss meinem Gegenüber doch nur auf Augenhöhe begegnen, egal, woher er kommt oder woran er glaubt.“

In seinem Buch, aus dem er mehrere Geschichten vortrug, nähert sich Adnan Maral dem Thema Integration mit dem gleichen Humor, der auch seine Rolle als türkischer Kommissar Metin Öztürk in der erfolgreichen TV-Serie „Türkisch für Anfänger“ auszeichnet. Aufgewachsen in Frankfurt, hat er sich schon mit 19 Jahren den, wie er sagt, „Traum eines jeden Türken“ – einen Mercedes – erfüllt und berichtet nun von vielen Begegnungen und Erlebnissen aus seinem Leben, die um die Themen Vorurteile, Toleranz und Akzeptanz kreisen und ihre Wirkung durch eine unfreiwillige, oft auch entlarvende Komik erzielen. Dabei nimmt Maral die Vorurteile der Deutschen genauso aufs Korn wie die Eigenheiten der Türken.

So berichtet er beispielsweise von einer pannenreichen Reise mit einem türkischen Busunternehmer nach Istanbul, die er nach dem Abitur mit deutschen Freunden unternahm, und bei der die kulturellen Vorurteile deutlich zutage traten – entzündet an der Frage, warum die Toilette des Busses während der gesamten Fahrt verschlossen war. Ebenso vergnügt erzählte er an diesem Abend, wie ihn nicht einmal die Intervention des damaligen türkischen Außenministers Abdullah Gül vor dem für alle Türken verpflichtenden Militärdienst bewahren konnte. Seine auf drei Wochen verkürzte Zeit beim Militär – „das hat mich 5.250 Euro gekostet“ – trat er aufgrund eines Abendessens mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und eben dem türkischen Minister eine Woche verspätet an. Die musste er dann allerdings nachholen, denn bei der Ankunft in der Kaserne für Auslandstürken in der Nähe von Antalya hieß es lapidar: „Gül? Interessiert uns nicht. Wir sind hier beim Militär!“ Doch statt eines Strafdienstes schickten ihn seine Ausbilder in der zusätzlichen Woche dann meist zum Bummeln in die Stadt.

Adnan Maral, das wird an diesem Abend deutlich, ist in mehreren Kulturen zuhause, er hat Spaß daran, sich die jeweiligen Vorteile einer Kultur zu eigen zu machen: Und so bekundet er seine Liebe zu türkischem Essen genauso wie zu „Ebbelwoi“ und „Grüner Soße“ seiner Frankfurter Heimat. „Man kann in mehreren Kulturen leben – und das auch genießen“, sagt Maral. Und das glaubt man ihm gerne, so überzeugend wie der Schauspieler über die Vorzüge der jeweiligen Kulturen spricht und das abwechselnd mit hessischem, bayerischem oder Berliner Dialekt. „Wir leben jetzt in Oberbayern, und ich habe mir sogar eine Lederhose für das Oktoberfest gekauft, meine Frau, eigentlich Schweizerin, ein Dirndl – und es macht einfach Spaß, Kulturen auf diese Art und Weise zu erleben.“

„Die Ziegen“ kommen ihm allerdings dann doch bei einem Thema: Adnan Maral ist ein großer Verfechter der doppelten Staatsbürgerschaft. Er – und wohl auch die Zuhörer im Saal an diesem Abend – kann nicht verstehen, wieso er nicht zwei Pässe, den türkischen und den deutschen, besitzen darf. „Ich möchte auch in meiner deutschen Heimat mitbestimmen und wählen können, doch das darf ich nicht, ich fühle mich beraubt“, betont er. Gleichzeitig möchte er auch nicht den türkischen Teil seiner Identität, „meine Wurzeln“, verleugnen müssen. „Das ist auch eine Frage der Identität“, betont Maral. Und richtig in Aufregung, auch das beschreibt er in seinem Buch, versetzt ihn die Tatsache, dass seine Schweizer Frau bereits nach zehn Jahren problemlos neben ihrer Schweizer Staatsbürgerschaft auch die deutsche und damit auch die volle Freizügigkeit innerhalb der EU erhält. „Dabei lebe ich bereits seit 1970 in Deutschland und habe immer noch keinen Pass, das ist doch einfach ungerecht“, betont Maral, der dafür viel Applaus erhält.

„Und übrigens“, verriet Maral dann noch den Zuhörern zum Schluss der Lesung, „bevor Sie es jetzt googeln, es gibt gar keine ostanatolischen Zwergbergziegen.“ Schade eigentlich.