Für David Schürmann war es nicht das erste Mal, aber es hat wieder funktioniert: Der Mitarbeiter der Kreisleitstelle hat als ein Glied der Rettungskette unmittelbar dazu beigetragen, dass Hans-Volker Jünke (72) noch lebt – oder besser gesagt, wieder lebt. Hans-Volker Jünke hatte am Morgen des 31. Mai diesen Jahres einen Herzinfarkt. Und Schürmann hat nicht nur Rettungswagen und Notarzt auf die Bahn geschickt, sondern Ehefrau Sigrid Jünke und Sohn Kurt bei der Telefon-Reanimation angeleitet. Der Sohn machte die lebensrettende Herzdruckmassage nach Anweisung, das Telefon hatte seine Mutter auf laut gestellt.
In den USA ist die Telefon-Reanimation schon lange gang und gäbe, in Deutschland wird sie erst seit einigen Jahren stärker beachtet. Im Kreis Gütersloh ist sie im Jahr 2008 eingeführt worden, in der Region war der Kreis damit Vorreiter. „Was benötigt wird, ist ein fachlich geprüfter, standardisierter Text“, erklärt Bernd Strickmann, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Kreis Gütersloh. Entscheiden sich Leitstellen-Disponenten für die Telefon-Reanimation, dann können sie einer Anweisung auf einem ihrer Computer-Monitore folgen. „Alleine das Gefühl, dass man nicht alleine ist. Da sitzt jemand am Telefon, zählt laut mit, gibt den Takt vor und spricht einem gut zu“, unterstreicht Sigrid Jünke den Effekt der Telefon-Reanimation. Auch ihrem Sohn half das, obwohl der als Lehrer alle zwei Jahre den Erste-Hilfe-Kursus auffrischt. Aber den eigenen Vater zu reanimieren, das ist dann doch eine andere Situation. Strickmann, selbst auch als Notarzt unterwegs und Chef des Notarztpools im Kreis Gütersloh, sitzt bei einer Tasse Kaffee mit dem Ehepaar Jünke und weiteren Rettern am Tisch. Knapp drei Monate nach dem Herzinfarkt von Hans-Volker Jünke lassen alle den Sonntagmorgen von Ende Mai Revue passieren – und erinnern zusammen daran, wie wichtig die Ersthelfer sind. Anlass ist auch die Woche der Wiederbelebung, die in diesem Jahr zum dritten Mal stattfindet und die zum Ziel hat, die Zahl der Ersthelfer zu erhöhen. Im ganz konkreten Fall hatte allerdings alles reibungslos geklappt – von der Reanimation bis zur Einlieferung ins Städtische Krankenhaus, wo schon das Herz-Katheter-Team bereit stand.
Jünkes Sohn Kurt hat bei der Reanimation lediglich die Herzdruckmassage gemacht – ohne Beatmung zwischendurch. „Das weiß man noch gar nicht so lange“, erklärt Strickmann, „ dass dies im Zweifelsfall der bessere Weg ist. Denn das Blut enthält noch viel Sauerstoff, man muss es nur zum Gehirn transportieren.“ Das Gehirn ist der menschliche Schwachpunkt beim Kreislaufstillstand. Schon nach drei Minuten sterben die ersten Gehirnzellen ab. Zwar konnte Sohn Kurt, kaum dass seine Mutter die 112 gewählt hatte, das Martinshorn des in Rheda gestarteten Rettungswagen bereits hören: Aber er hat die entscheidenden Minuten überbrückt. Um 4.56 in den Morgenstunden ging der Notruf in der Leistelle ein, um 5.02 Uhr war der RTW vor Ort in der Wagenfeldstraße in Herzebrock-Clarholz. Die ‚Mobilen Retter‘ waren auch alarmiert, aber keiner in der Nähe verfügbar. Die Rettungsassistenten Peter Werz und Dirk Grösche lösen den Sohn bei der Herzdruckmassage ab und holen den Defibrillator raus. „Ich hörte immer wieder ‚Bitte zurücktreten!‘“, erinnert sich Sigrid Jünke. Vier Minuten nach dem RTW traf der Notarztwagen mit Martin Vogelsänger am Steuer und Notarzt Dr. Marcel Sanguinette ein. Jünkes Körpertemperatur wird heruntergeregelt, er kriegt 4 Grad kalte Infusionen. „Das Gehirn wird weniger geschädigt, wenn der Körper gekühlt wird“, erläutert Strickmann.
Hans-Volker Jünke hat den Kreislaufstillstand ohne neurologische Schäden überstanden, sitzt an der Kaffeetafel, man merkt ihm die dramatische Nacht heute nicht mehr an. Der einzige – auch äußerlich sichtbare – Unterschied: Er trägt eine Defibrillationsweste, deren Antriebsgerät am Gürtel hängt. Es entscheidet sich noch nach weiteren Untersuchungen, ob er einen internen Schrittmacher oder ein kombiniertes Gerät erhält.
„Für uns sind solche Erlebnisse so wichtig“, sagt Strickmann und schaut in die Runde: „Herrn Jünke hier vor uns zu sehen, fast so wie früher. Das sollte man sich immer ins Gedächtnis rufen und sich immer sagen, nicht aufgeben, nicht die Flinte ins Korn werfen, weiter machen.“ Strickmann liebt seinen Job, er liebt es Leben zu retten und ist dabei immer auf der Suche, andere für dieses Thema zu begeistern. Die Woche der Wiederbelebung – das ist auch die Woche, für die der Notarzt jedes Jahr Werbung macht.