Bis heute sind individuelles und institutionelles Handeln von Rationalisierungsprozessen der Moderne geprägt. „Dessen ungeachtet, lehnen Menschen vernünftige Schutzimpfungen ab, hängen Verschwörungstheorien an oder vertrauen blind der Wissenschaft“, so schreibt der renommierte Soziologe Professor Dr. Jens O. Zinn, derzeit Gastwissenschaftler an der Universität Bielefeld, im Abstract zu seinem nun anstehenden Vortrag in der Reihe „Uncertainty Talks“.
An der Universität von Melbourne arbeitet Zinn schwerpunkthaft zu einer Soziologie des Risikos und der Ungewissheit. Dynamiken des Umgangs mit riskanten Unsicherheiten in der Moderne erläutert Zinn am kommenden Montag, 22. Mai, um 18.30 Uhr im Plenarsaal des Zentrums für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Der öffentliche Vor-trag ist kostenlos.
„Um den Umgang mit riskanten Unsicherheiten zu verstehen, ist es nützlich, neben rationalen Umgangsweisen weitere Modi des Umgangs mit Unsicherheit einzubeziehen, wie etwa Ver-trauen, Intuition und Gefühl sowie Hoffnung und Glaube“, erläutert Zinn weiter. Dabei wäre es aber voreilig, solche Umgangsweisen als subjektive Irrationalitäten abzutun. Vielmehr erscheine es so, dass sie erst in ihrem Zusammenspiel ermöglichen, vernünftig mit Unsicherheiten umzugehen. Zudem sind auch auf institutioneller Ebene nicht nur „Prozesse der Rationalisierung und Verzauberung“ zu beobachten. Die Subjektivierung abstrakten Wissens könne als Voraussetzung für deren lebensweltliche Wirksamkeit verstanden werden.
„Jens Zinn macht in seiner Forschung deutlich, dass der menschliche Umgang mit riskanten Unsicherheiten komplex ist und Rationalität allein oft zu kurz geblickt erscheint, wenn es darum geht, Unsicherheiten einzuordnen“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Andreas Zick organisiert die Uncertainty-Talks zusammen mit dem Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Herbert Dawid und der Geschichtswissenschaftlerin Professorin Dr. Silke Schwandt. Hervorgegangen ist die Vortragsreihe aus einer Forschungsinitiative an der Universität Bielefeld, die die drei Wissenschaftler*innen koordinieren. Sie wird in Kooperation mit dem Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld veranstaltet. Der Zusammenschluss beschäftigt sich intensiv mit Unsicherheit. Lange Zeit ist Unsicherheit als allgegenwärtige Bedrohung betrachtet worden, die es zu kontrollieren und im Zaum zu halten galt. Die Initiative strebt hinge-gen danach, die Forschung zu Ungewissheiten und Unsicherheiten auf eine breitere Basis zu stellen und voranzubringen. Dafür stellt sie die vielfältigen Arten der Navigation von Unsicher-heit in den Mittelpunkt. Die Uncertainty-Talks sollen durch verschiedene Blickwinkel auf diese Analyse einen Beitrag zum interdisziplinären Verständnis dieses Forschungsansatzes leisten.
Experte zum Thema Risiko und Unsicherheit
Professor Dr. Jens Zinn ist Soziologe und Risikoforscher. Nach einem Studium der Soziologie, Sozialpsychologie und Politikwissenschaft an der Universität des Saarlandes und der Universität Bielefeld promovierte er im Jahr 2000 in Bremen zum Übergang junger Erwachsener in die Arbeitswelt. Berufliche Stationen führten ihn nach Bremen, München, Kent (UK) und Melbourne (Australien), wo er seit 2009 T.R. Ashworth Associate Professor in Sociology an der Universität ist.
Zinn ist Gründungspräsident der Forschungsnetzwerke »Sociology of Risk and Uncertainty« in der European Sociological Association (ESA) und der International Sociological Association (ISA). 2015 wurde er mit dem Friedrich-Wilhelm Bessel Preis der Alexander von Humboldt Stiftung ausgezeichnet. Von 2016-2018 hatte Zinn das Marie Skłodowska-Curie Fellowship »Understanding the discoursesemantic shift towards risk« am ESRC centre »Corpus Approaches to Social Science« (CASS) an der Lancaster University (UK) inne. Von 2016-19 war er als Gastprofessor am »Risk and Crisis Research Centre« an der Mid-Sweden University in Östersund (Schweden) tätig. Auch ist Zinn für mehrere internationale Zeitschriften tätig: Health, Risk & Society (Asia Pacific Editor), Journal of Risk Research (Board Member), und Historical Social Research (cooperating Editor).
Bereits vierter Talk in Vortragsreihe Jens Zinns Vortrag zum Thema „Rationalisierung, Verzauberung und Subjektivierung – Dynami-ken des Umgangs mit riskanten Unsicherheiten in der Moderne“ ist bereits der vierte Uncertainty-Talk der Reihe. Vor ihm sprachen im vergangenen Wintersemester der Ökonom und Medizinsoziologe Professor Dr. David Tuckett, der Soziologe Professor Dr. Armin Nassehi und der Psychologe und Risikoforscher Professor Dr. Gerd Gigerenzer.
Bild: Der Soziologe Professor Jens O. Zink spricht an der Universität Bielefeld zu Dynamiken des Umgangs mit riskanten Unsicherheiten. (Foto: privat)