Lebenslanges Lernen ist eine Grundvoraussetzung für beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe. Mit dem Deutschen Weiterbildungsatlas zeigt eine bundesweite Studie erstmals, wie stark sich die Teilnahmequoten regional unterscheiden und ob Regionen ihr Weiterbildungspotenzial nutzen.
Jeder siebte Deutsche ab 25 Jahren (13,5 Prozent) bildet sich mindestens einmal im Jahr fort. Die Weiterbildungsquoten sind allerdings bundesweit sehr unterschiedlich ausgeprägt: Während sich im Emsland nur 6 Prozent der Bevölkerung weiterbilden, sind es in der Region Würzburg mit 19 Prozent mehr als dreimal so viele Erwachsene. Bei Geringqualifizierten liegt die Weiterbildungsquote deutlich niedriger als bei höher qualifizierten Personen, wiederum mit erheblichen regionalen Unterschieden. Es zeigt sich zudem, dass viele Regionen ihr Potenzial an Weiterbildung heute noch nicht ausschöpfen. Das sind die zentralen Ergebnisse des Deutschen Weiterbildungsatlas der Bertelsmann Stiftung. Er stellt die Weiterbildungsquoten für die Bundesländer und erstmalig auch für die Raumordnungsregionen dar.
In einzelnen Raumordnungsregionen ist die Weiterbildungsbeteiligung dreimal so hoch wie in anderen. Die höchsten Werte finden sich nach Würzburg in den Regionen Ingolstadt (18,7 Prozent) und Augsburg (18,1 Prozent). Die niedrigsten Quoten verzeichnen neben dem Emsland Aachen (6,5 Prozent) und Ostfriesland (7,6 Prozent). Die Quoten der Bundesländer unterscheiden sich weniger stark. Spitzenreiter bei der Weiterbildung ist Hessen mit 16 Prozent, gefolgt von Baden-Württemberg (15,7 Prozent) und Bayern (14,8 Prozent). Die geringsten Quoten finden sich im Saarland (11,3 Prozent), in Sachsen-Anhalt (11,6 Prozent) und in Sachsen (11,9 Prozent).
Geringqualifizierte abgehängt
In der Weiterbildung bestehen neben regionalen auch große soziale Unterschiede. Personen mit Ausbildungs- oder Hochschulabschluss haben mit 22,5 Prozent eine dreimal so hohe Teilnahmequote wie Geringqualifizierte (6,7 Prozent). Wenn wir nur die Geringqualifizierten betrachten, finden wir ebenfalls deutliche regionale Unterschiede. Auf Länderebene reicht die Spannbreite der Weiterbildungsquoten für Geringqualifizierte von 5,5 Prozent in Nordrhein-Westfalen bis 8,5 Prozent in Thüringen. Zwischen den Regionen sind die Unterschiede erneut mehr als dreimal so groß: In den Raumordnungsregionen Aachen (3 Prozent), Südsachsen (3,5 Prozent) und Allgäu (3,6 Prozent) nehmen Geringqualifizierte am wenigsten an Weiterbildungen teil; an der Spitze liegen das Obere Elbtal/Osterzgebirge (10,7 Prozent), Mittelthüringen (10,1 Prozent) und Main-Rhön (9,8 Prozent). „Die Weiterbildungschancen sind in Deutschland ungleich verteilt. Gerade die Geringqualifizierten, die am meisten profitieren könnten, haben zu geringe Weiterbildungschancen. Die großen regionalen Unterschiede zeigen: Städte und Kreise müssen die Potenziale von Geringqualifizierten erkennen und besser nutzen“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Potenziale bleiben ungenutzt
Der Weiterbildungsatlas zeigt: Sowohl die Qualifikationen der Bevölkerung als auch die Wirtschaftskraft vor Ort wirken sich positiv auf die Weiterbildungsteilnahme aus. Allerdings sind solide Wirtschaftszahlen oder ein hoher Bildungsstand der Bevölkerung kein Garant für eine rege Weiterbildungsteilnahme. Inwieweit Regionen ihre strukturellen Voraussetzungen für Weiterbildung nutzen, gibt die Potenzialausschöpfung des Deutschen Weiterbildungsatlas an. Sie vergleicht die tatsächliche Teilnahmequote vor Ort mit derjenigen, die aufgrund regionaler Strukturdaten zu erwarten wäre. Im Ländervergleich zeigt Hamburg (81,8 Prozent) die bundesweit geringste Potenzialausschöpfung. In der Hansestadt könnte es auf Grundlage der Sozialstruktur mehr Teilnehmer geben. Auch Berlin (86,0 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (91,7 Prozent) nutzen ihre Potenziale für Weiterbildung nicht aus. Über den für sie zu erwartenden Werten liegen dagegen Hessen (111,1 Prozent), Baden-Württemberg (110,6 Prozent) und Schleswig-Holstein (106,4 Prozent).
Auch bei der Potenzialausschöpfung sind die Unterschiede zwischen den Regionen stärker als im Ländervergleich. So schöpfen das Emsland (47,7 Prozent) und die Region Aachen (54,8 Prozent) gerade einmal die Hälfte des vorhandenen Potenzials aus. Schleswig-Holstein Süd-West (131,4 Prozent), Starkenburg (128,6 Prozent) und Würzburg (127,2 Prozent) übertreffen die Erwartung hingegen um etwa 30 Prozent. „Besonders erfolgreiche Regionen zeigen, dass Beratungsangebote, Kooperation der Weiterbildner und bessere Verkehrsanbindungen die Teilnahmequoten erhöhen können. Hier müssen die private und öffentliche Hand ansetzen“, sagte Prof. Dr. Josef Schrader, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung.