Sie organisieren Möbel und flicken Fahrräder. Sie lehren Deutsch und begleiten im Alltag. Sie kämpfen für ein gutes Miteinander und gegen Vorurteile – Flüchtlingshelferinnen und -helfer stellen sich ehrenamtlich an die Seite von geflüchteten Menschen in Gütersloh. Die Zeit, in der die große Zahl von Flüchtlingen und die beeindruckende Hilfsbereitschaft vieler Gütersloher die Schlagzeilen bestimmt hat, ist derzeit vorbei. Doch die Ehrenamtlichen sind noch da. Sie leisten ihre Arbeit ohne großes Aufheben. Jetzt wurden elf von ihnen – stellvertretend für alle Gleichgesinnten in Gütersloh – mit dem „Preis der Bürgerstiftung“ 2017 ausgezeichnet worden. Flüchtlingsstaatssekretär Andreas Bothe dankte im Namen der Landesregierung für das Engagement.
Sie sind viele – und sie setzen sich auf verschiedene, persönliche Art für Flüchtlinge ein. Die Dolmetscherin Nesrin Sayar zum Beispiel. Anfangs leitete sie die sogenannten BAMF-Deutschkurse, lernte dort Menschen kennen, mit denen sie eine Leidenschaft teilt: den Laufsport. Mit sechs jungen Männern trainiert sie seither und gemeinsam haben sie auch schon einen Hermannslauf geschafft. „Sport und Deutschlernen – das hat mich total begeistert. Das ist mein Ding“, sagt Nesrin Sayar. „Ich engagiere mich für geflüchtete Menschen, weil ich möchte, dass sie hier ihre vielen Fragen beantwortet bekommen, sich einleben und ankommen.”
Oder Volker Zobel. Im Herbst 2015 war er an Baumaßnahmen zur Vorbereitung von Flüchtlingswohnungen in der Gemeinde Heilig Geist beteiligt. Seit Januar 2016 betreut er drei Flüchtlingsfamilien, die dort eingezogen sind. Denn er sah ihre Not: Die Wohnungen waren nur spärlich ausgestattet – er organisierte mit Hilfe von Freunden, Verwandten, Gemeindemitgliedern den notwendigen Hausrat. Die Menschen kamen ohne Sprachkenntnisse kaum zurecht – Volker Zobel begleitet sie bis heute bei Behördengängen, Arztbesuchen oder Hausaufgaben. „Ich engagiere mich, weil ich die Not wenden möchte“, sagt Zobel. „Und die Dankbarkeit der Familien ist für mich die wichtigste Motivation.“
Die Bürgerstiftung Gütersloh engagiert sich schon seit Herbst 2015 für Flüchtlinge, als sie mit Hilfe großer Unternehmen und vieler Privatleute einen Spendenfonds zur Unterstützung ehrenamtlichen Engagements in der Flüchtlingshilfe auflegte. „Jetzt, zwei Jahre später, möchten wir mit dem Preis der Bürgerstiftung die Menschen ehren, die sich von ihrem Engagement nicht haben abbringen lassen“, sagt der Kuratoriumsvorsitzende Dr. Ernst Wolf. „Diese elf Ehrenamtlichen stehen stellvertretend für die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt, die sich vom Sprint der großen Hilfsbereitschaft im Herbst 2015 auf die Langstrecke der Unterstützung begeben haben.“ Elf Menschen, die in neun unterschiedlichen Projekten arbeiten, erhalten von der Bürgerstiftung ein Preisgeld, je Projekt in Höhe von 1.000 Euro. „Die Bürgerstiftung verleiht ihren Ehrenamtspreis in diesem Jahr zum 20. Mal“, sagt Brigitte Büscher, Sprecherin der Bürgerstiftung. „Wir möchten mit der Wahl ein Zeichen setzen für Integration, Begegnung, Verständigung und Toleranz in unserer Stadt.“
Die Laudatio der festlichen Jubiläums-Preisverleihung hielt Staatssekretär Andreas Bothe vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW. Er würdigte die Bedeutung des Ehrenamtes für den Zusammenhalt einer Gesellschaft: „Sie haben nicht gezögert, sondern geholfen, als es darauf ankam. Sie sind Teil einer Bürgerbewegung der Menschlichkeit und erhalten diesen Preis stellvertretend für die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die sich im Verborgenen engagieren. Wir wissen: Integration braucht Zeit und gelingt nur, wenn Staat und Zivilgesellschaft Hand in Hand arbeiten. Ich danke ihnen im Namen der Landesregierung für ihr großartiges Engagement.“
Gespräche und Erzählungen der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer machten deutlich, wie zeitaufwändig, intensiv und anstrengend zugleich dieser Einsatz ist. Ron Ferrier zum Beispiel kam zu seinem Ehrenamt durch eine Informationsveranstaltung der Stadt Gütersloh im Januar 2016. Er folgte dem Aufruf, sich für die neuen Nachbarn einzusetzen – und genau das tut er seither in der Parseval Siedlung. Organisiert Möbel, koordiniert Begegnungen im Ehrenamtshaus, hilft bei Problemen, schlichtet Streit. Begleitet die neuen Nachbarn zu Ausflügen und vernetzt sich mit anderen Ehrenamtlichen. Die Liste ist noch viel länger – was für Ron Ferrier aber gar nicht entscheidend ist. „Ich engagiere mich für geflüchtete Menschen, weil sie entwurzelt sind, weil sie Schreckliches erlebt haben und alles verloren haben.“
Das sind die elf Geehrten: Barbara Brinkmann, Ron Ferrier, Monika Geißler, Otto Holdijk, Ludger Klein-Ridder, Ernst Johann Klinke, Elisabeth Meier, Ingrid Müller, Ulrike Poggenklaß, Nesrin Sayar und Volker Zobel. Für sie bedankten sich stellvertretend Nesrin Sayar und Ernst Johann Klinke für die Auszeichnung: „Die Bürgerstiftung lenkt mit diesem Preis die Aufmerksamkeit auf die schutzwürdigen Interessen der Geflüchteten in Gütersloh und sendet ein wichtiges humanitäres, politisches Signal gegen flüchtlingsfeindliche Stimmungen und Haltungen in der Stadt. Sie ermutigen uns in unserer Anstrengung und leisten einen Beitrag für ein offenes, vielfältig buntes, fair aufgestelltes Gütersloh.“