Seit 2014 soll mit der 16. Änderung des Arzneimittelgesetzes die Behandlung mit Antibiotika in Mastbetrieben deutlich reduziert werden. Eine Aufgabe, die die Veterinäre vor Ort vor große Herausforderungen stellt, meint Dr. Sabine Beckmann, amtliche Tierärztin des Kreises Gütersloh: „Die zusätzlichen Aufgaben waren mit unserem Personal nicht mehr zu bewältigen – gerade weil wir hier eine sehr hohe Nutztierdichte haben.“ Deshalb hatte der Kreis Gütersloh eine neue Stelle geschaffen. Datenbankeingaben prüfen, Kontrollen durchführen, Sanktionen aussprechen – diese und viele weitere Aufgaben übernimmt seit Anfang August der Tierarzt Ingo Haack.
Die halbjährlich veröffentlichten Kennzahlen sprechen bisher für sich: Im Vergleich zwischen dem zweiten Halbjahr 2014 und dem ersten Halbjahr 2015 ist eine signifikante Reduzierung der Therapiehäufigkeit zu erkennen. Erste Ergebnisse stellte Dr. Bernhard Beneke, Abteilungsleiter Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung, am Montag, 25. Januar, im Gesundheitsausschuss vor: „Allein durch die Ankündigung und den Start der Datenbank scheinen die Mastbetriebe sensibler im Umgang mit Antibiotika geworden zu sein.“
Haack, der aus der Nähe von Stuttgart kommt, hat Erfahrung im Veterinärwesen: Nachdem er in Gießen Tiermedizin studiert hat, war er dort zunächst am Uniklinikum als Tierarzt beschäftigt. Danach war er als Amtstierarzt in Thüringen tätig. Jetzt will er im Kreis Gütersloh dafür sorgen, dass der Einsatz von Antibiotika in Mastbetrieben reduziert wird.
Die Masttierhaltung im Kreis Gütersloh konzentriert sich auf Geflügel und Schweine. Durch die Einführung einer Antibiotikadatenbank soll ein besserer Überblick über die bundesweite Therapiehäufigkeit in Masttierbeständen entstehen. Ziel ist die Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes sowie die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Meldepflichtig sind Betriebe, in denen in einem Kalenderhalbjahr durchschnittlich mehr als 20 Rinder, 250 Schweine, 1.000 Puten oder mehr als 10.000 Hähnchen zur Mast gehalten werden. Sie müssen jede Antibiotikaanwendung und jede Bestandsveränderung eintragen oder durch einen Dritten eintragen lassen.
Aus den Daten wird die so genannte halbjährliche individuelle betriebliche Therapiehäufigkeit mit Antibiotika ermittelt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit errechnet dabei halbjährlich für jede Tierart zwei Kennzahlen: Kennzahl 1 ist der Median. Also der Wert, unter dem die Hälfte aller erfassten Therapiehäufigkeiten liegt. Kennzahl 2 bezeichnet das dritte Quartil. Das ist der Wert, unter dem Dreiviertel aller erfassten Daten liegen.
Liegt ein Betrieb über dem Median aller Betriebe (also über Kennzahl 1), muss der Tierhalter zusammen mit seinem Tierarzt die Ursachen dafür ermitteln. Gegebenenfalls muss er Maßnahmen ergreifen, die zur Reduzierung der Antibiotikaverwendung führen. Sofern der Betrieb über dem dritten Quartil (der Kennzahl 2) liegt, muss der Tierhalter gemeinsam mit seinem Bestandstierarzt einen schriftlichen Maßnahmenplan (‚Antibiotika-Minimierungsplan‘) erstellen und der Veterinärbehörde vorlegen.
Haack: „Ich überprüfe zuerst den eingereichten Plan. Sind die Angaben unvollständig oder die Maßnahmen zur Erreichung des Ziels nicht geeignet führe ich eine Kontrolle bei dem betreffenden Betrieb durch. Dabei kontrolliere ich unter anderem die Haltungsbedingungen, Besatzdichte, Klima- und Fütterungstechnik, das betriebliche Hygienemanagement sowie ein eventuell vorhandenes Impfprogramm. Außerdem wird auch die Buchführung des Betriebes überprüft und mit den Angaben in der Datenbank verglichen. Danach muss ich überlegen, wo ich Potential sehe, den Antibiotikaeinsatz zu senken und Maßnahmen festlegen.“
Dass es sich bei diesen Maßnahmen nicht um ein Allheilmittel handelt, weiß der Tierarzt: „Jeder Betrieb muss einzeln betrachtet werden. Selbst wenn die Therapiehäufigkeit in einem Betrieb sehr hoch ist, kann es sein, dass es in diesem Betrieb keine geeignete Maßnahme gibt, die den Antibiotikaverbrauch sofort senkt. Gerade in der Intensivtierhaltung sind Erkrankungen häufig nicht nur durch einen einzelnen krankmachenden Erreger ausgelöst. Auch das Stallklima und das Hygienemanagement spielen eine zentrale Rolle im Krankheitsgeschehen.
Und natürlich müssen erkrankte Tiere auch weiterhin mit Medikamenten behandelt werden.“ Wer schummelt, wird früher oder später erwischt: „Jede Arzneimittelanwendung musste auch bisher schon protokolliert werden, sowohl beim Tierhalter als auch beim behandelnden Tierarzt. Auch die anderen Tierärzte im Amt führen regelmäßig Betriebskontrollen durch, bei denen die Dokumentation der Arzneimittelanwendung überprüft wird. Wir haben hier ein Netz ineinander greifender Kontrollen“, ist sich Haack sicher.
Bis dato mussten 218 Maßnahmenpläne von Betrieben vorgelegt werden, die Haack unter die Lupe nahm, erläuterte Dr. Beneke im Gesundheitsausschuss. 81 Prozent waren ohne Mängel, 15 Prozent wiesen kleine Mängel auf, lediglich 4 Prozent waren unvollständig oder wenig plausibel. Tierarzt Beneke nannte auch Gründe für den gesunkenen Antibiotika-Einsatz – nicht alle seien zu begrüßen. Als positiv bewertete er unter anderem Verbesserungen in Stallbau und Logistik sowie die Verbesserung der Haltung. Negativ seien jedoch zu kurze behandlungszeiträume und die Unterlassung von notwendigen Behandlungen. So sinke der Antibiotikaeinsatz, der Tiergesundheit sei damit jedoch nicht gedient.