In diesen Tagen würde sich die Stadt Verl traditionell für eines der größten und wichtigsten Ereignisse im Jahr, das „Verler Leben“, rüsten. Doch in diesem Jahr ist bekanntlich alles anders: Das Fest fällt dem Verbot von Großveranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie zum Opfer. „Dass das ‚Verler Leben‘ einmal ausfallen könnte, hätte ich nie gedacht“, gibt Detlev Fust zu. Fast 30 Jahre hat er das Fest organisiert, bei ihm liefen stets alle Fäden zusammen. Das „Verler Leben“ 2020 wäre sein letztes als Marktmeister gewesen – denn im Mai 2021 geht er in den Ruhestand. Ein Anlass, gemeinsam mit Detlev Fust zurückzublicken.
Das erste „Verler Leben“
1992 stieg Detlev Fust in die Organisation des Festes ein, indem er von dem plötzlich verstorbenen Amtsleiter Udo Graffunder die Aufgaben als Marktmeister übernahm. Und sorgte gleich im ersten Jahr für Wirbel, indem er den Schaustellern nicht wie gewohnt ihre Stammplätze zuwies, sondern die Plätze einfach neu mischte. Ein fataler Fehler, wie Fust schnell merkte, denn die Aufregung war groß. Rasch lernte er: „Jeder Stand braucht seinen bestimmten Platz, damit die Geschäfte laufen. Schon ein paar Meter Unterschied oder die richtige Straßenseite sind entscheidend.“ Seit dem Fauxpas im ersten Jahr versucht der Marktmeister deshalb stets, alle Stammplätze und Wünsche zu berücksichtigen – fast immer mit Erfolg.
Nach dem Fest ist vor dem Fest
Die Planungen für das „Verler Leben“ laufen das ganze Jahr. Die Auswahl der Bewerber muss getroffen
und Verträge müssen geschlossen werden. Die meisten Zusagen an die Schausteller und Händler gehen bereits im November raus. Acht Wochen vor dem Fest beginnt die heiße Phase. Viele Einzelheiten sind abzustimmen. Fällt ein Fahrgeschäft oder Stand kurzfristig aus, muss Ersatz her. Manchmal zittert Detlev Fust bis zum letzten Moment, ob das gebuchte Fahrgeschäft auch wirklich kommt. „Die Konkurrenz an Festen ist groß. Und für den Aufbau größerer Fahrgeschäfte lohnen sich länger dauernde Veranstaltungen natürlich mehr. Wenn da kurzfristig ein anderes Engagement lockt, kassieren wir schon mal eine Absage“, erzählt Fust. Deshalb plant er immer mit Fahrgeschäften, die man notfalls auch quer stellen kann. „Wenn kein Ersatz mehr zu bekommen ist, lässt sich damit eine Lücke füllen und keiner merkt’s“, verrät er einen Marktmeister-Trick.
Laufen, laufen, laufen
Mit der Platzvergabe und vor allem ab dem ersten Festtag beginnt für Detlev Fust der sportliche Teil. Um
immer präsent und ansprechbar zu sein, dreht er fast pausenlos seine Runden. „Denn irgendwo gibt es
immer ein Problem, sei es mit der Strom- oder Wasserversorgung oder dass an einem Standplatz etwas
im Weg ist.“ 12 bis 13 Kilometer können so pro Tag zusammen kommen.
Als Detlev Fust das „Verler Leben“ 1992 übernahm, steckte die EDV noch in den Kinderschuhen. Die
Schreibmaschine war das wichtigste Arbeitsgerät, vervielfältigt wurde mit Matrizen. Erst um das Jahr
2000 begann der Einsatz von Computern, die vieles erleichterten. Im Laufe der fast 30 Jahre hat sich auch das Rahmenprogramm immer wieder verändert: So gab es beispielsweise mal eine Mini-Playback-
Show, eine Modenschau und einige Jahre auch eine Verlosung. Gut erinnert sich Fust auch noch an den Versuch, das Mehrweggeschirr zu verbannen und stattdessen ein Spülmobil zu installieren. „Das war
aber nicht praktikabel und hat sich nicht durchgesetzt.“ Genauso wenig wie die Einführung des
Glaspfands. Bei allem Wandel hat sich eines aus Fusts Sicht nicht geändert: „Das wichtigste beim
‚Verler Leben“ ist für die Besucherinnen und Besucher die Geselligkeit. Man trifft sich und feiert zusammen“, meint er.
Das Verhältnis zu den Schaustellern
Etwa die Hälfte der Schaustellerinnen und Schausteller beim „Verler Leben“, sagt Detlev Fust, sei dem
Fest mindestens schon so lange treu, wie er Marktmeister ist. Manche seien auch noch länger dabei. „Im
Laufe der Jahre ist ein Vertrauensverhältnis entstanden. Und das ist für meine Arbeit auch ganz wichtig.“
Und so geht es Detlev Fust auch durchaus nahe, wie sehr gerade diese Branche unter der Coronakrise
leidet. „Vor allem den kleineren Unternehmen dürften größere Rücklagen fehlen, um eine lange Durststrecke zu überstehen“, sorgt er sich.
„Ich hoffe sehr, dass das ‚Verler Leben‘ im nächsten Jahr wieder stattfinden kann“, so der langjährige
Marktmeister, der bereits seit längerem seine Nachfolgerin Monika Ganzer einarbeitet. Und was wird er
selbst am ersten „Verler Leben“-Wochenende ohne ihn als Marktmeister machen? „Ich werde bestimmt
mal vorbeischauen und das Fest aus neuer Perspektive betrachten: ganz entspannt als Besucher“, sagt