Jobcenter des Kreises bringt Frauen in Fahrt
Gütersloh. Dem Klischee, dass Frauen nicht Auto fahren können, treten die angehenden Busfahrerinnen vehement entgegen: „Einen zwölf Meter langen Bus mit gut 350 PS zu fahren macht schließlich Spaß“, erklärt die Gütersloherin Karina Kaspera, die mit zwölf Frauen seit Februar an der Qualifizierung ‚Frauen in Fahrt‘ teilnimmt.
Unterstützt wird sie dabei vom Jobcenter des Kreises Gütersloh. „Ich habe meinen absoluten Traumjob gefunden“, erklärt die dreifache Mutter.
Jürgen Blomeier vom Jobcenter weiß, dass die Weiterbildung in Teilzeit nicht einfach ist und die Anforderungen an die Frauen hoch sind. „Anschließend haben sie aber gute Chancen, eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu bekommen“, erklärt er. Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal im Kraft- und Personenverkehr sei groß. „Das darf aber nicht der Hauptgrund für eine solche Qualifizierung sein“, hebt Blomeier hervor, der beim Jobcenter für die berufliche Weiterbildung verantwortlich ist. Es würde individuell geguckt, ob dieser Beruf etwas für die Kandidatin sei. „Wir zwingen niemanden solch einen Kurs zu besuchen. Wer teilnimmt muss sich auf jeden Fall freiwillig dazu entscheiden.“ Dies sei besonders wichtig, da man als Busfahrerin einen verantwortungsvollen Beruf hat, indem man für die Sicherheit der zu befördernden Personen zuständig ist.
Geboren ist Karina Kaspera in der lettischen Hauptstadt Riga. Also nicht weit entfernt von der Region Valmiera, zu der der Kreis Gütersloh eine langjährige Partnerschaft pflegt. Die 39-Jährige erklärt: „Ich wollte diesen Beruf unbedingt erlernen. Vor fünf Jahren hat die Agentur für Arbeit meinen Antrag für die Qualifizierung abgelehnt, weil es zu wenige Arbeitsplätze in diesem Bereich gab. Jetzt ist es anders und ich habe meine Chance direkt ergriffen.“ Die erste Fahrstunde mit dem neuen großen Gefährt hat die zukünftige Busfahrerin gut gemeistert. Kaspera kann sich aber noch gut erinnern: Der Bus ruckelte am Angang heftig, weil sie die Feststellbremse trat. Ein Fehler, der sich leicht beheben ließ. Bald waren auch scharfe Kurven kein Problem mehr oder enge Kreisverkehre, in denen man die erste Ausfahrt nicht direkt nehmen kann, sondern einmal ganz herum fahren muss. Es folgten Einheiten am Berg, in der Nacht und beim Parken. „Mit dem Bus kann ich besser rückwärts einparken als mit dem Auto“, hat sich Karina Kaspera völlig an ihren zukünftigen fahrbaren Arbeitsplatz gewöhnt.
Die Schulung findet halbtags beim Bildungswerk Verkehr Wirtschaft Logistik NRW e. V. (BVWL) in Bielefeld-Brackwede statt. Zu den Lehrgangsinhalten gehören die Führerscheinausbildung der Klassen D (Omnibusse mit mehr als neun Sitzplätzen) und DE (Anhänger), Verkehrssicherheitslehre und Rechtsvorschriften, Umgang mit Bordgeräten, Verkehrsgeographie, Fahrzeugtechnik sowie das richtige Verhalten in Notfallsituationen wie Unfällen. Neben der Theorie- und Praxisprüfung müssen die Frauen eine Ersthelferprüfung und die Beschleunigte Grundqualifikation bestehen, die von der IHK abgenommen wird. Darin geht es zum Beispiel darum, die Sicherheit und den Komfort der Fahrgäste gewährleisten zu können oder die Grundsätze der Ergonomie zu kennen, um Gesundheitsschäden vorzubeugen. Jörg Berker vom BVWL zieht ein positives Fazit der bisherigen fünf Monate des Kurses: „Die zwölf Frauen, die die Qualifizierung im Februar angefangen haben, sich alle noch mit viel Elan dabei.“ Auch die Fahrlehrer sind zufrieden, die Frauen seien oft entspannter als ihre männlichen Kollegen.
Nach den Prüfungen folgt demnächst ein dreimonatiges Praktikum, für das sich die Teilnehmerinnen individuell bewerben. Dann heißt es praktisches Lernen im Einsatz und üben der ‚richtigen‘ Busrouten. Navis sind dabei tabu. Karina Kaspera freut sich schon auf die Praxis und endlich darauf „den Traumberuf ausüben zu können“.