Ein offener Widerstand gegen das gesamte NS-Regime war es nicht. Mutig, streitbar und in keiner Weise „systemkonform“ war Wilhelm Florins Vortrag „Rosenbergs Mythus und evangelischer Glaube“ auf jeden Fall. Mit ihm analysierte und kritisierte er 1934 öffentlich die Fehldeutungen und Missverständnisse von Alfred Rosenbergs nationalsozialistischem Werk „Mythus des 20.Jahrhunderts“ und trat für seine traditionellen christlichen Grundsätze ein. Diese Forschungsergebnisse und die außergewöhnliche Qualität der Arbeit über Wilhelm Florin, den ehemaligen Theologen und Schulpfarrer am Evangelisch Stiftischen Gymnasium, haben Abiturientin Laura Christine Frank einen NRW-Landespreis im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten eingebracht.
Am Montag, 22. Juni, wurde die Arbeit mit dem Titel „Inwieweit ist Wilhelm Florins Gegenschrift zum Rosenberg ‚Mythus‘ als Form des offenen Wiederstandes zu beurteilen?“ im Haus der Geschichte in Bonn ausgezeichnet. Mit Unterstützung von Stadtarchivar Stephan Grimm, Geschichtslehrer Johannes Leiskau und Gerhard Florin, dem zweiten Sohn von Wilhelm Florin, untersuchte die 17-jährige Abiturientin des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums das Wirken des Mannes, der in den Dreißiger Jahren für den Erhalt des „wahrhaftigen Christentums“ eintrat, welches nicht durch nationalsozialistische Werte verformt werden sollte. Ihre Schlussfolgerung: „Florin wollte als überzeugter Christ die Aussagen Rosenbergs korrigieren und dabei weder die Partei noch das gesamte System in Frage stellen“. Somit sei die Veröffentlichung der Entgegnung nicht als offener Widerstand anzusehen, da er nicht politisch, sondern kirchlich motiviert war. Gleichwohl sprach sich Florin öffentlich gegen Alfred Rosenberg aus und sollte dafür von der Gestapo verhaftet werden, wozu es jedoch nicht kam.
Systemkonform war der Schulpfarrer nicht. Wilhelm Florin sei einer der wenigen gewesen, der die Widerstandskraft durch ein stetiges Predigen des evangelischen Glaubens stärkte, heißt es in der Arbeit. Er habe sich für seinen Glauben eingesetzt, auch wenn er sich dafür gegen seinen Vorgesetzten und den damaligen Zeitgeist auflehnen musste. „Man kann aber nicht sagen, dass Florin ein Außenseiter war – genauso wenig, wie es nur Schwarz und Weiß gibt“, schlussfolgert Laura Frank. Die außergewöhnliche Qualität ihrer Arbeit trotz der eher dünnen Quellenlage bringt ihr auch in Gütersloh viel Lob ein: „Die Arbeit von Laura Christine hat universitäres Niveau“, lobt Friedhelm Rachner, Schulleiter des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums. Auch Geschichtslehrer Johannes Leiskau betitelt die Arbeit der „engagierten und vor allem klugen Forscherin“ als hervorragend.
Als Landessieger geht die Abiturientin mit ihrer Arbeit auch ins Rennen um 50 Bundespreise. Die Ergebnisse werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Wie es nach der Schule für sie weiter geht, weiß Laura Christine Frank dagegen bereits: Sie möchte studieren – vielleicht auch Geschichte. Vorher absolviert sie aber einen einjährigen internationalen Freiwilligendienst in Ecuador.
Der Wettbewerb
Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ist der größte historische Forschungswettbewerb für junge Menschen in Deutschland. Er soll bei Kindern und Jugendlichen das Interesse für die eigene Geschichte wecken, Selbstständigkeit fördern und Verantwortungsbewusstsein stärken. In der Wettbewerbsrunde von 2015 beschäftigten sich die Schüler mit dem Thema „Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“. Aus insgesamt 1.563 eingereichten Beiträgen wurden 250 Landespreis- und 250 Förderpreisträger ausgewählt.