Gütersloh (kgp). Von den jährlich ca. 28.000 Frauen, die in Deutschland an einem bösartigen gynäkologischen Tumor erkranken, sind knapp 17 % vom Gebärmutterhalskrebs betroffen. Für diese Patientinnen bietet das Gynäkologische Krebszentrum im Klinikum Gütersloh jetzt als erste Klinik in OWL ein neues OP-Verfahren an: Die totale mesometriale Resektion (TMMR). Das Klinikum Gütersloh ist als eines von deutschlandweit nur neun TMMR-Studienzentren zugelassen. Am Freitag wurde das Studienzentrum offiziell eröffnet.
„Die TMMR ist eine besonders nervenschonende Operationstechnik, die eine Heilungsrate von ca. 94% bietet – im Vergleich zur herkömmlichen operativen Therapie ist dieser Wert damit um ca. 14% höher. Die Heilungsrate ist dabei definiert als ein Überleben ohne ein Wiederauftreten der Krankheit innerhalb von fünf Jahren. Ein weiterer Vorteil ist: Die Patientinnen benötigen nach der OP keine adjuvante Strahlentherapie, wie sie sonst bei zusätzlichen Risikofaktoren üblich ist. Bei der herkömmlichen Operation werden zudem häufig Nerven verletzt, die die Blasen-, Enddarm- und Vaginalfunktionen regulieren. Bei der TMMR-Operation liegt die behandlungsbedingte Morbidität dagegen nur bei neun Prozent“, erläutert Dr. Wencke Ruhwedel, Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Leiterin des Gynäkologischen Krebszentrums im Klinikum Gütersloh. Das Klinikum ist von der Universitätsfrauenklinik Essen unter der Studienleitung von Prof. Dr. Rainer Kimmig für diese multizentrische Studie nach Erfüllung der zahlreichen fachlichen Voraussetzungen zertifiziert worden.
Die Operationstechnik wurde vor mehr als 10 Jahren an der Universitätsfrauenklinik Leipzig von Prof. Dr. Dr. Michael Höckel entwickelt, der im Rahmen der Eröffnung des Studienzentrums sein innovatives Verfahren und die neuesten Studienergebnisse in einem Vortrag persönlich vorstellte. Die neue Operationsmethode basiert insbesondere auf seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Tumorausbreitung im menschlichen Gewebe: Demnach wächst der Gebärmutterhalskrebs nicht ziellos nach allen Seiten gleichzeitig, sondern zunächst nur in den Gewebestrukturen, die bereits beim ungeborenen Kind im Mutterleib angelegt sind. „Für den Erfolg der Operation ist deshalb nicht entscheidend, dass man beim Entfernen des Tumors rundherum einen Sicherheitsabstand im gesunden Gewebe einhält, sondern dass man den Tumor in genau diesen Gewebestrukturen entfernt“, so Prof. Dr. Dr. Michael Höckel. Bei der neuen Operationstechnik wird dann konsequent das gesamte kranke und potentiell befallene Gewebe entfernt, was zudem eine Nachbehandlung durch Strahlentherapie überflüssig macht.
Zur Eröffnung des Studienzentrums informierten sich in der Region niedergelassene Gynäkologen und Mitarbeiter des Klinikums über die neue Operationsmethode. Bundesweit sind bisher nur neun Kliniken für diese multizentrische Studie zugelassen, die auf mehrere Jahre angelegt ist. „Die Behandlungsdaten werden mit Einverständnis der Patientinnen an die Studienzentrale in Essen weitergeleitet und dort ausgewertet. Sollten diese Daten die positiven Ergebnisse aus der
Universitätsfrauenklinik Leipzig bestätigen, wird die TMMR in einigen Jahren der neue Gold-Standard in der Behandlung des Gebärmutterhalskrebses sein", so Chefärztin Dr. Wencke Ruhwedel. Nach mehreren Hospitationen an der Universitätsfrauenklinik in Leipzig operiert Dr. Ruhwedel bereits seit 2010 betroffene Patientinnen mit der neuen OP-Methode und kann aufgrund ihrer Erfahrung die positiven Studienergebnisse aus Leipzig bisher nur bestätigen. Neben dem Klinikum Gütersloh haben namhafte Fachkliniken wie u.a. die Universitätsfrauenkliniken in Köln, Leipzig, Essen, Dresden und Ulm die neue TMMR-Operationstechnik zur Behandlung des Gebärmutterhalskrebses bereits eingeführt.