Die hier lebenden Muslime orientieren sich in ihren Einstellungen und Lebensweisen stark an den Werten in der Bundesrepublik. Das allerdings nimmt die Mehrheitsbevölkerung kaum wahr. Sie steht dem Islam zunehmend ablehnend gegenüber. Für die hier lebenden Muslime bedeutet das Ausgrenzung und Belastung.
Gütersloh, 8. Januar 2015. Die meisten der vier Millionen Muslime in Deutschland sind ein Teil dieses Landes. Ihre Einstellungen und Sichtweisen orientieren sich stark an den Grundwerten der Bundesrepublik wie Demokratie und Pluralität. Umgekehrt stehen den Muslimen und ihrer Religion aber große Teile der nicht-muslimischen Bevölkerung ablehnend gegenüber. Das zeigt die „Sonderauswertung Islam“ aus dem Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung.
Die Studie belegt eine starke Verbundenheit der Muslime mit Staat und Gesellschaft. 90 Prozent der hochreligiösen Muslime halten die Demokratie für eine gute Regierungsform. Neun von zehn Befragten haben in ihrer Freizeit Kontakte zu Nicht-Muslimen. Jeder zweite hat sogar mindestens genauso viele Kontakte außerhalb seiner Religionsgemeinschaft wie mit Muslimen.
Muslime in Deutschland zeigen sich mehrheitlich fromm und liberal zugleich. 63 Prozent der Muslime, die sich als ziemlich oder sehr religiös bezeichnen, überdenken regelmäßig ihre religiöse Einstellung. Einer Heirat unter homosexuellen Paaren stimmen rund 60 Prozent von ihnen zu. Von den hochreligiösen Muslimen, die ihre Glaubensgrundsätze selten hinterfragen, tun dies immerhin noch 40 Prozent. In der Türkei hingegen, dem Hauptherkunftsland der Muslime in Deutschland, gibt nur jeder dritte hochreligiöse Muslim an, seinen Glauben regelmäßig zu überdenken. Gleichgeschlechtliche Ehen befürworten dort lediglich 12 Prozent der Hochreligiösen.
Die Verbundenheit der Muslime mit Deutschland und seinen gesellschaftlichen Werten trägt jedoch nicht dazu bei, dass sich negative Vorurteile gegenüber dem Islam abbauen. Im Gegenteil: Nach einer aktuellen repräsentativen Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung empfinden 57 Prozent der nicht-muslimischen Bundesbürger den Islam als Bedrohung. Im Jahr 2012 waren es 53 Prozent. „Für Muslime ist Deutschland inzwischen Heimat. Sie sehen sich aber mit einem Negativ-Image konfrontiert, das anscheinend durch eine Minderheit von radikalen Islamisten geprägt wird“, sagt Yasemin El-Menouar, Islam-Expertin der Bertelsmann Stiftung.
So äußern 61 Prozent der Bundesbürger die Meinung, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Im Jahr 2012 hatten das 52 Prozent gesagt. 40 Prozent der Befragten fühlen sich zudem durch Muslime wie Fremde im eigenen Land. Jeder Vierte will Muslimen sogar die Zuwanderung nach Deutschland verbieten.
Diese Einschätzungen finden sich keineswegs nur am Rand der Gesellschaft. Weder die politische Orientierung, das Bildungsniveau noch der Sozialstatus beeinflussen das Islambild der Deutschen nennenswert. Entscheidender sind das Alter und der persönliche Kontakt zu Muslimen.
Von den über 54-Jährigen fühlen sich 61 Prozent durch den Islam bedroht, von den unter 25-Jährigen hingegen nur 39 Prozent. Die Angst ist zudem am stärksten dort, wo die wenigsten Muslime leben. In Nordrhein-Westfalen, wo ein Drittel von ihnen wohnt, fühlen sich 46 Prozent der Bürger bedroht. In Thüringen und Sachsen, wo kaum Muslime leben, äußern das 70 Prozent. Obwohl die große Mehrheit von 85 Prozent der Deutschen sagt, sie stehe anderen Religionen sehr tolerant gegenüber, scheint dies nicht für den Islam zu gelten.
Trotz des immer besser gelingenden Zusammenlebens der Religionen in Deutschland bestehe die Gefahr einer breit durch die Bevölkerung gehenden Islamfeindlichkeit, sagt Yasemin El-Menouar: „Es gibt vieles in Deutschland, was Muslime und Nicht-Muslime verbindet. Daraus kann ein Wir-Gefühl wachsen. Aber dafür bedarf es einer stärkeren Anerkennung und Wertschätzung der Muslime und ihrer Religion.“