Gütersloh (kgp). Fremde Zimmer und Flure, unbekannte Menschen und ungewohnte Abläufe: Für Patienten mit der Nebendiagnose Demenz ist es schwierig, sich im hektischen Krankenhausalltag zurechtzufinden. Um den Genesungsprozess positiv zu beeinflussen, brauchen diese Patienten eine besondere Fürsorge und Ansprache. Im Klinikum Gütersloh kümmern sich deshalb neben den Ärzten und dem Pflegepersonal rund 30 ehrenamtliche Patientenbegleiter um Patienten mit Demenz. Zwei von ihnen: Karin Cornelius-Schmidt und Christel Linke.
Seit Dezember 2014 besuchen die beiden Gütersloherinnen einmal pro Woche Patienten mit der Nebendiagnose Demenz und unterstützen diese mit Dingen, für die das Pflegepersonal im Arbeitsalltag keine Zeit findet: Sie spielen gemeinsam, lesen Geschichten vor, singen, gehen spazieren oder unterhalten sich. „Ich war auf der Suche nach einem Ehrenamt, bei dem man sich zeitlich flexibel engagieren kann und bei dem ich das Gefühl habe, meine Zeit sinnvoll einzusetzen. Zeit ist ein Geschenk, das ich gerne an andere Menschen weitergeben möchte, denen es nicht so gut geht wie mir“, sagt Christel Linke.
Ins Leben gerufen wurde das Projekt vor fünf Jahren durch das Engagement von Katja Plock, Gesundheits- und Krankenpflegerin im Klinikum Gütersloh: Um gezielter auf Patienten mit Demenz eingehen zu können, absolvierte sie eine Weiterbildung zum Demenz-Coach und versammelte anschließend mit Unterstützung der Bürgerstiftung Gütersloh ein Team von Ehrenamtlichen um sich, welches inzwischen schon über 4.000 Besuche bei betroffenen Patienten absolviert hat.
Zu erkennen sind die Ehrenamtlichen im Klinikum am roten Korb, den sie zu jedem Besuch auf die Patientenzimmer mitnehmen: „Den Korb füllen wir zuvor mit verschiedenen Utensilien wie beispielsweise Spielen oder Büchern, die wir dann bei unseren Besuchen einsetzen können. Ich nenne ihn gerne meinen ‚Wunderkorb‘, denn ich finde darin eigentlich immer etwas, was mir einen Ansatzpunkt für ein Gespräch mit dem Patienten bietet“, erläutert Karin Cornelius-Schmidt. „In den meisten Fällen fangen die Patienten aber einfach an zu erzählen: Von den Kindern, von der Haus- oder Gartenarbeit, von Hobbys oder von Erlebnissen aus der Vergangenheit.“ Kann sich der Patient nicht mehr artikulieren, lesen die Ehrenamtlichen zum Beispiel Kurzgeschichten vor. Oft helfe es auch, einfach nur die Hand des Patienten zu halten, ihm Aufmerksamkeit und ein Lächeln zu schenken, sagt Christel Linke. „Auch wenn Patienten es nicht immer äußern können: Man sieht in kleinen Gesten die Dankbarkeit für die Zuwendung. Das Herz wird nicht dement – die Emotionen und Empfindungen bleiben.“
Nicht nur die Patienten, sondern auch die Angehörigen und das Pflegepersonal sind dankbar für das Engagement der Ehrenamtlichen: „Wir können die Angehörigen entweder mit einbeziehen, wenn sie gerade zu Besuch sind, oder sie für eine festgelegte Zeit ablösen, so dass sie sich eine kurze Pause gönnen können. Auch die Bettnachbarn freuen sich meist über unseren Besuch“, so Karin Cornelius-Schmidt.
Man müsse viel Empathie, Einfühlungsvermögen und Respekt für die Patienten mitbringen, sagen die beiden Ehrenamtlichen. Im Gegenzug bekomme man aber auch sehr viel zurück: „Die Arbeit ist sehr erfüllend. Ich gehe jedes Mal mit einem guten Gefühl nach Hause“, so Karin Cornelius-Schmidt. Außerdem sei es mitunter auch sehr lehrreich, sich mit den Patienten zu unterhalten: „Ich weiß inzwischen sehr viel über Kaninchen- und Taubenzucht und habe das Schachspielen gelernt“, sagt Christel Linke mit einem Lachen. „Es ist oft sehr beeindruckend, wie viel Wissen noch da ist, beispielsweise auch, wenn wir gemeinsam Lieder singen oder Gedichte aufsagen.“
Jeder Patient sei anders und ein Besuch jedes Mal zunächst eine Herausforderung, so Karin Cornelius-Schmidt: „Wir bekommen zur Vorbereitung zwar wesentliche Informationen zum Patienten wie den Familienstand, den Wohnort sowie mögliche Einschränkungen wie Schwerhörigkeit mitgeteilt; vor Ort muss man die Situation und den Patienten aber erst einmal beobachten und dann entsprechend reagieren.“ Auch deshalb nimmt jeder Demenzbegleiter an einer Schulung teil, bevor er im Klinikum Gütersloh aktiv wird. Dort erhalten sie eine ausführliche und fachkundige Einarbeitung, die sich mit der Demenz als Krankheitsbild, vor allem aber mit der Beobachtung und dem Umgang mit diesen Menschen befasst. Auch Gesprächssituationen mit an Demenz erkrankten Personen werden im Kurs nachgestellt und der sichere Umgang mit einem Krankenhausbett, einem Rollstuhl oder einem Rollator geübt.
Ein neuer Kurs für Frauen und Männer, die sich als Patientenbegleiter ehrenamtlich am Klinikum engagieren möchten, startet im Oktober. Demenz-Coach Katja Plock steht für Rückfragen zur Verfügung und nimmt Anmeldungen gern entgegen:
Telefon: (05241) 8325150
E-Mail: katja.plock(at)klinikum-guetersloh.de
Foto: Christel Linke (l.) und Karin Cornelius-Schmidt (r.) machen sich mit ihrem gefüllten „Wunderkorb“ auf den Weg zu Patienten mit der Nebendiagnose Demenz. Foto ©Klinikum Gütersloh