Güterslohs schwedische Partnerstadt Falun hat auf der Nordischen Ski-WM ein Stadtentwicklungsprogramm aufgebaut
Falun/Gütersloh. Glückliches Falun! Rund 500 Millionen TV-Zuschauer warfen in den vergangenen Wochen einen täglichen Blick auf Güterslohs schwedische Partnerstadt. Das Ziel von 200 000 verkauften Karten war bereits nach zehn Tagen nordischer Ski-WM erreicht, auf der Medal Plaza vor dem Rathaus stieg jeden Abend der Karneval der Fans und Flaggen und die Hotels waren noch in 80 Kilometern Umkreis ausgebucht. Marketing der Premium-Klasse darf man das wohl nennen. Doch das Feuerwerk soll nicht verpuffen, jetzt, wo die Karawane weiter gezogen ist. Die Stadt Falun hat in den vergangenen Jahren sorgfältig daran gearbeitet, die Ausrichtung der nordischen Ski-Weltmeisterschaften mit einem Stadtentwicklungsprogramm zu verbinden, das vom Sport über die Bildung bis hin zur klassischen Wirtschaftsförderung reicht. Erklärtes Ziel ist eine Stadt, die weiter wächst.
„Beyond Skiing“ ist das Motto, mit dem sich Falun auf Fahnen, Mützen, Schals und anderen Werbeträgern unübersehbar präsentiert. Heißt hier so viel wie „Mehr als Skifahren“, auch wenn man das kaum glauben will angesichts der 45 000 Zuschauer im meistens ausverkauften Lugnet-Stadion. Das ist in den vergangenen Jahren mit einem nicht unerheblichen Invest aufgemöbelt worden - inklusive der beiden berühmten Schanzen, die wie Leuchttürme von weit her auf die Stadt aufmerksam machen. Drumherum ist eine spektakuläre WM-Stadt aus Groß-Sponsoren-Pavillons, Veranstaltungszentren, TV –und Team-Stützpunkten entstanden. Teile davon werden nach der Abschlusshymne wieder „eingepackt“. Doch erhalten bleibt ein Campus, der Tourismus, Sport, Kultur, Bildung und Wissenschaft auf kurzem Weg und in kaum einem Kilometer Entfernung vom Stadtkern verbindet. So liegt auch der Standort der Universität, die sich Falun mit der Nachbarstadt Borlänge teilt, in diesem Gebiet. Rund 12 000 Studenten und Studentinnen bereiten sich hier unter anderem in Lehramtsfächern, Gesundheits-, Sozial- und Medienwissenschaften aufs Berufsleben vor. Die vor einem Jahr eröffnete Bibliothek ist dort ein zentraler Treffpunkt – mit einem lichtdurchfluteten Forum, das in seiner strukturierten Möblierung vom hellen Holzboden, über die Stahlrohrsessel bis hin zu den weißen Regalen lässig-gepflegte schwedische Lebensart vermittelt.
Nicht unähnlich ist die Atmosphäre beim Unternehmen „Tension Graphics“, das seinen Sitz im denkmalgeschützten Gebäude eines ehemaligen Kartografie-Archivs hat. Kreative Köpfe, die auf den ersten Blick nicht älter als höchstens 29 sein können, beschäftigen sich hier mit der Entwicklung von Online-Spielen. Die Game-Industrie gilt als ein Motor der Wirtschaft in Schweden, allein seit 2013 wird ein Wachstum von sechs Prozent verzeichnet. Auf den Beitrag zur WM darf der Chef Magnus Björkman, ein paar Jahre über 30 und seit 1999 im Geschäft, besonders stolz sein: die virtuelle WM-Live-Arena als App mit allen Orten, Infos und Links fürs Smartphone. Ein Erfolg, der auf der offiziellen WM-Website einen prominenten Platz gefunden und viel Aufmerksamkeit erregt hat – nicht nur bei den Zuschauern, sondern auch bei einigen der rund 460 Sponsoren, die dieses sportliche Großereignis fördern – neben den Großen im Skizirkus auch zahlreiche lokale Unterstützer wie Tension Graphics, das eng mit den lokalen Institutionen zusammenarbeitet. Denn das Stichwort „Gamification“ weist den Weg weit über die Daddel-Gemeinde hinaus: Projekte mit „spielerischen“ Online-Elementen werden auch für Schulen oder im Bereich des Sports entwickelt. Die Dalarna Sport Academy, ebenfalls mit Sitz auf dem Lugnet-Gelände unterhalb der Skischanzen, ist dabei ebenfalls ein spannender Partner, der Bewegung aus der virtuellen Welt für reales Training nutzbar macht.
Aber auch angesichts ambitionierter Pläne für Faluns Zukunft tritt die Geschichte dieser faszinierenden schwedischen Stadt nicht in den Hintergrund. Seit 2001 ist Falun Weltkulturerbe. Die Kupfermine, die den Ort vor Jahrhunderten weltbekannt und reich machte, ist dafür der Hauptgrund. Aber auch die Altstadt, das warme „Falun-Rot“ der Holzhäuser mit ihren weiß abgesetzten Fensterrahmen, die lebendig gewordene Bilderwelt des Malers Carl Larsson ganz in der Nähe, eine Seenplatte, kilometerlange Loipen oder ein ansehnliches Alpin-Skigebiet sind auch außerhalb der WM oder des jährlichen Weltcup-Zirkus ein Argument für tausende von Touristen, dieses Stück Schweden immer wieder zu besuchen, das ein fein bemaltes Holzpferdchen zu seinem „Wappentier“ gemacht hat, das zu „Schwedens Kulturhauptstadt 2015“ ernannt wurde und das gerade wieder mit einer Top-Band auf den Spuren von Abba, Roxette und anderen wandelt: Die Gruppe Mando Diao aus dem benachbarten Borlänge hat nach „Dance with Somebody“ gerade mit der WM-Hymne „Love last forever“ noch einmal die weltweite Fangemeinde vergrößert, inklusive Kreischalarm beim Auftritt in der WM-Arena.