Gütersloh/Broxtowe. Die Idee reifte schon in der ersten Woche ihrer Ausbildung: Kira Köster, Bachelor of Law beim Kreis Gütersloh und inzwischen im dritten Ausbildungsjahr, hat ein vierwöchiges Praktikum bei der Verwaltung in Broxtowe (England) absolviert. 2015 in der Einführungswoche hörte sie, dass ein Auslandspraktikum oder sogar ein Auslandsemester möglich sei – man müsse sich aber selbst darum kümmern. „Jetzt wurde mir diese Chance geboten“, freut sich die Rückkehrerin, die nach fünf Wochen Broxtowe – sie hatte gleich noch eine Woche Urlaub angehängt – wieder im Jobcenter des Kreises Gütersloh arbeitet.
Dass die junge Bielefelderin (23) finanziell nicht drauf zahlen musste, ist Jörg Möllenbrock zu verdanken. Er koordiniert die Europäische Praktikumsbörse der Stadt Gütersloh und hat „im Zuge der guten interkommunalen Zusammenarbeit“ dafür gesorgt, dass Kira Kösters Praktikum in der Partnerstadt der Stadt Gütersloh durch das Erasmus-Programm gefördert wurde. Sowohl den Platz in der dortigen Verwaltung als auch die Förderung vermittelte Möllenbrock. Lediglich die Unterkunft musste sich Kira Köster selbst suchen.
„Man kommt mit den Fördermitteln sehr gut aus“, berichtet Köster, die die dreijährige Kombination aus Studium und Verwaltungsausbildung Bachelor of Law beim Kreis durchläuft. Fahrtkosten, Unterkunft, Verpflegung – die Erasmus-Förderung leistet eine Vollfinanzierung des Auslandsaufenthalts. „Wir müssen gerade jetzt den europäischen Gedanken der Verständigung weiter voranbringen, vor allem bei den jungen Leuten“, betont Möllenbrock. Er sei guter Hoffnung, dass der Brexit nichts an der guten Zusammenarbeit mit den Kollegen in Broxtowe ändern werde. Und Möllenbrock wirbt wo er nur kann für ein Auslandspraktikum. „Es muss auch in straff organisierten Ausbildungsgängen möglich sein, eine solche Erfahrung zu sammeln.“ Später im Berufsleben seien solche Möglichkeiten rar gesät.
Apropos Brexit: „Ich habe einen einzigen Engländer gesprochen, der für den Brexit abgestimmt hat. Alle anderen gehörten zum Lager der Gegner. Es waren vor allem die älteren Briten, die für den Brexit gestimmt haben“, bestätigt Köster die Erkenntnis der Demoskopen. Dem Thema konnte die 23-Jährige gar nicht ausweichen, selbst wenn sie es gewollt hätte.
„Was ist hier besser geregelt, was dort“, formuliert Köster ihre Leitfrage, auf die sie in den vier Wochen Antworten suchte. Punkt für die Kreisverwaltung: „In Broxtowe gibt es fast nur Großraumbüros.“ Punkt für die Briten: „Wasser, Kaffee und Tee stehen den Mitarbeitern überall kostenfrei zur Verfügung.“ Punkt für den Kreis Gütersloh: „Wir haben hier Dienstfahrzeuge, dort nutzt man ausschließlich seinen Privat-Pkw.“ Deutlich weiter seien die Briten bei der Teleheimarbeit. Es gäbe Mitarbeiter, so Köster, die kämen ausschließlich zum Meeting ins Büro und würden ansonsten von Zuhause aus arbeiten. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie aus aktuellem Anlass auch der Sicherheit: Einen Empfang gibt es hier wie dort. „Aber es gibt dort einen Wartebereich und keiner kommt hoch in die Büros. Wenn man ein Gespräch mit einem Bürger hat, geht man ins Erdgeschoss in einen Extra-Raum.“ Auch seien Außendienstler mit Digitalgeräten ausgestattet, über die sie per Funk der Polizei mitteilen, wohin sie unterwegs seien: Vor Ort reiche dann der Zug am Band des Geräts oder der Druck auf einen Knopf und die Kavallerie setzt sich mit Blaulicht in Bewegung.
Während Köster sich mit ihren Mitbewohnern in der über Airbnb gefundenen 4er-Wohngemeinschaft etwas schwer tat – „die waren ein wenig zurückhaltend“ – lief der Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen umso besser. Auf ihrem Laptop finden sich Fotos von Ausflügen samt der kompletten Familien, sei es zum Picknick, zum Freizeitpark oder zu Sehenswürdigkeiten. „Am ersten Abend hatte ich von einem meiner beiden Betreuungspersonen gleich eine Einladung zum Barbecue. Alle kümmern sich sehr rührend um einen, auch schon im Vorfeld.“ Sie ist sich sicher, dass der Kontakt zu einigen ihrer Kolleginnen und Kollegen aus Broxtowe halten wird.
Tagsüber sammelte die 23-Jährige in sehr unterschiedlichen Bereichen Eindrücke. In der ersten Woche war sie bei einer Abteilung, die sich einerseits um die Gemeindesteuern kümmert, andererseits um Leistungen für Bedürftige. Vormittags Theorie im Büro, nachmittags Ortstermine bei Menschen, die Leistungen beziehen oder die Miete für ihre vom Staat zur Verfügung gestellten Unterkunft nicht zahlen. In den letzten drei Wochen arbeitete Köster bei einer ausgegliederten kommunalen Tochter: Diese unterhält sowohl ein Museum als auch Sportanlagen, ein Schwimmbad und sogar ein Fitnessstudio. „Ich habe mich da um die Mitgliederwerbung für das Fitnessstudio gekümmert, Sponsoren für ein monatliches Gewinnspiel gesucht und Preisvergleiche zur privaten Konkurrenz erstellt.“ Sie hat sogar Wirtschaftsspionage betrieben: „Ich habe mir die privaten Studios angeschaut und darauf geachtet, was dort besser oder schlechter organisiert ist“. Auch die Erfahrungen aus ihrem Fitnessstudio in Bielefeld flossen in die Arbeit. Wieder in Deutschland kann Köster ihre Erfahrungen hier weitergeben: In Sachen Sicherheit, Homeoffice und Tee gibt es ein Vorbild.