Gütersloh. Zwei Stunden mit dem Bus zum Arbeitsplatz hin und auch zwei Stunden wieder zurück − nicht jeder würde das widerspruchslos auf sich nehmen.
Doch der Einsatz hat sich für Ahmad Gafar gelohnt: Er startete im August seine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik in Leopoldshöhe. Die Mitarbeiter des Jobcenters des Kreises Gütersloh unterstützten ihn dabei. Dass die Kreisgrenzen dabei überschritten wurden, ist unwichtig: Überregionale Zusammenarbeit ist gefragt.
Der 24-Jährige kam 2011 als Bürgerkriegsflüchtling aus Syrien nach Deutschland. Seine Familie wohnt noch im syrischen Aleppo, wo derzeit Krieg herrscht. Über das Flüchtlingsverteilsystem wurde er der Gemeinde Borgholzhausen zugewiesen. Er sprach kein Wort Deutsch. Nach drei Sprachkursen sieht das inzwischen ganz anders aus. „Das erlebt man so nur selten“, lobt Volker Echterhoff vom Jobcenter des Kreises Gütersloh. „Daran sieht man, was man erreichen kann und Herr Gafar wusste genau, dass er in Deutschland etwas erreichen und sich was aufbauen will.“ Er habe ihn erst im Juni diesen Jahres kennen gelernt. Der Syrier sei von Anfang an motiviert gewesen und habe bis dahin schon einige Initiativbewerbungen verschickt. Espelkamp, Warendorf und Detmold waren nur einige Orte davon. „Diese Bereitschaft mit hohem überregionalen Engagement zeigen nicht alle“, erklärt Lars Kuhlmann, Sachgebietsleiter beim Jobcenter. Für Gafar hingegen selbstverständlich: „Man muss was machen und hier nicht nur rum sitzen.“
Den Ausbildungsvertrag unterschreiben konnte er dann schließlich bei der Firma Brink in Leopoldshöhe. Problematisch allerdings die Entfernung: Mit dem Bus von Borgholzhausen eine ganz schöne Reise. Durch die Wohnsitzbeschränkung für Borgholzhausen durfte Ahmad Gafar jedoch nicht ohne weiteres umziehen. Seit einem Monat hat sich das allerdings erledigt: Der Umzug nach Bielefeld-Ubbedissen hat geklappt.
Die Firma Elektro Brink ist ein Familienbetrieb, der sich zum Beispiel um Neu- und Umbauarbeiten kümmert sowie Störungsbehebungen und Elektroinstallationen durchführt. Und so gehören Schlitze stemmen, Steckdosen verklemmen, Auf- und Unterputzarbeiten sowie Umbauten und Reparaturen in öffentlichen Gebäuden inzwischen zu Ahmad Gafars Alltag. Zehn Mitarbeiter arbeiten momentan in der Firma. „Der Chef und die Kollegen sind sehr nett, das erlebt man in anderen Firmen nicht so“, berichtet Gafar über den Einstieg. „Manchmal wird man anders empfangen und komisch behandelt.“
Doch nicht nur für den potentiellen Lehrling war die Stellensuche schwer. Auch die richtigen Auszubildenden zu finden ist nicht leicht. „Es ist nicht mehr so, dass die Jugendlichen aus der Nachbarschaft hier anfangen, so wie es früher oft der Fall war“, erklärt Thorsten Stremlow, Inhaber der Firma Brink. „Die Lehrlinge müssen praktisch was können, es bringt nichts jemanden einzustellen, der Abitur hat, aber zwei linke Hände.“ Natürlich müsse es dem Azubi auch Spaß machen. „Jugendliche für das Handwerk zu begeistern ist schwer“, wissen auch die Mitarbeiter vom Jobcenter. Anders Ahmad Gafar: Er wollte gerne in diesem Bereich arbeiten, allerdings könnte ihm die Theorie demnächst Probleme bereiten. Zwar ging er in Syrien zwölf Jahre zur Schule und beendete diese mit einem Abschluss, der mit einem mittleren Bildungsabschluss in Deutschland vergleichbar ist, aber mit den deutschen Fachausdrücken könnte es in der Berufsschule schwer werden. Doch Stremlow hat dafür bereits eine Lösung parat: „Die zwei anderen Lehrlinge unterstützen ihn“, geht der Geschäftsführer von Zusammenarbeit im Betrieb aus. Außerdem sei sein neuer Azubi sehr wissbegierig. „Man muss es nur machen und sich kümmern“, betont er, wie wichtig Eigeninitiative ist. Nach dem Start ins Berufsleben hat Ahmad Gafar jetzt ein neues Ziel: Den Führerschein machen.