Rheda-Wiedenbrück. Der alte Italien-Schlager dudelt im Kofferradio, der Geruch der Sonnencreme weckt Urlaubsgefühle: Bei einer Aufführung im evangelischen Gemeindehaus Wiedenbrück hat das Kölner Theaterkollektiv „Demenzionen“ am Donnerstag mehr als 50 demenzkranke Senioren mit auf eine Reise an die Adria genommen. Das Besondere: Das Stück spielte in den 1950er-Jahren. Das sollte vor allem die Erinnerungen aus dem Langzeitgedächtnis der Zuschauer hervorholen, die aus verschiedenen Einrichtungen der Diakonie Gütersloh ins Gemeindehaus gekommen waren.
„Komm mit, wir gehen auf die Reise“ lautet der Titel des etwa 30-minütigen, interaktiven Stücks, das „Demenzionen“ speziell für hochaltrige sowie demenzkranke Menschen entwickelt hat. Die Handlung soll an die Lebensgeschichte und die Erfahrungen der Zuschauer anknüpfen, die in den 1950er-Jahren selbst junge Erwachsene waren und vielleicht auch einmal in den Süden gefahren sind. Schließlich galt Italien damals als das Sehnsuchtsland der Deutschen schlechthin.
Um Erinnerungen daran zu wecken, schicken die Schauspieler die Eheleute Emma und Heinz (gespielt von den Theaterpädagogen Indre Bogdan und Fred Gimpel) auf die Reise. Ein Urlaub an der Adria klingt in Emmas Ohren schließlich besser als der Ferienbesuch bei Tante Frieda – und sie braucht nicht lang, um auch ihren Gatten zu überzeugen. Deswegen heißt es Koffer packen und ab ins Auto, gen Süden. Und als Emma ein Lied anstimmt – „Froh zu sein bedarf es wenig“ – da singen auch die Zuschauer mit.
„Das Besondere für unsere demenzkranken Senioren ist, dass sie während des ganzen Stücks immer wieder einbezogen werden“, erklärt Heike Schulze. Sie ist die Leiterin Pflegewohngemeinschaften bei der Diakonie Gütersloh und hat die Veranstaltung mitorganisiert. „Die Schauspieler stimmen zum Beispiel Volkslieder oder Schlager aus den 50ern an, bei denen die Demenzkranken mitsingen können.“ Bei den alten Texten sei nämlich das Langzeitgedächtnis gefordert – der Teil des Gehirns, der bei Demenz erst spät nachlasse.
Doch Lieder sind nicht alles. Auch als Gimpel und Bogdan die Hände der Zuschauer mit ein wenig Sonnenmilch einreiben, kommen besondere Gefühle hoch. Schließlich erinnert kaum ein Geruch so sehr an Sommer und Urlaub wie der von Sonnencreme. Und nicht zuletzt spielen die Requisiten eine besondere Rolle – das Ambiente soll schließlich stimmen. Das alte Kofferradio, das klobige Telefon mit der Wählscheibe, die Kittelschürze, die Indre Bogdan trägt: Alles ist authentisch. Sogar die Zwangspause, die das Ehepaar kurz vor der italienischen Grenze wegen eines dampfenden Kühlers einlegen muss, ist dem einen oder anderen Zuschauer vertraut. „Da wird wohl die Kühlerpumpe kaputt sein“, sagt einer der Senioren fachmännisch.
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