Erzählcafé zum „Überleben in der Nachkriegszeit“ setzt einer starken Frauengeneration ein Denkmal
Gütersloh(gpr). Verzweiflung und Zuversicht, Weinen und Lachen, Hunger und Lebenshunger - so eng lagen die Empfindungen beieinander in den Monaten und Jahren nach dem Kriegsende 1945. Und genauso haben die Frauen, die diese Zeit erlebt haben, diese Stimmung widergespiegelt – in zwei Erzählcafés im Rahmen der Ausstellung „40 Frauen – das Überleben organisieren“, die zurzeit im Stadtmuseum zu sehen ist. Eingeladen zur Erinnerung und zum Dialog bei Kaffee und Kuchen hatte die Gleichstellungsstelle, die Moderation hatte Susanne Zimmermann – Pressesprecherin der Stadt Gütersloh und Historikerin – übernommen. Die Resonanz war so überwältigend, dass kurzfristig ein zweiter Termin organisiert wurde. Das große Interesse kennzeichnet auch die Bereitschaft, mehr noch, das Bedürfnis, über die Erfahrungen der damaligen Zeit zu berichten. Häufig genug waren es Grenzerfahrungen.
„Sie haben es mir leicht gemacht,“ freute sich die Moderatorin am Ende beider Veranstaltungen, „denn Sie haben das Gespräch getragen.“ Sie habe letztlich nur Stichworte einbringen müssen, um ihre Gesprächspartnerinnen zum Reden zu bringen. Die bewegenden Schilderungen umfassten die ganze Bandbreite der Erlebnisse und Gefühle – vom Schrecken und der Todesangst, Bombenangriffen hilflos ausgeliefert zu sein, über das Gefühl des Verlustes und des Verlassenseins, dort wo nahe Angehörige und Freunde vermisst wurden oder zu Tode kamen, bis hin zur unbändigen Freude, nach all dem Chaos und den erlebten Katastrophen wieder das sein zu können, was man eigentlich war: eine junge Frau oder ein Kind. Mit geradezu sprachlosem Staunen nahmen jüngere Zuhörerinnen – der nächsten und übernächsten Generation – wahr, wie phantasievoll und unermüdlich das Leben zwischen Trümmern gestaltet wurde: Gemeinschaftssinn, das Talent aus jedem Gegenstand seinen besonderen Nutzen zu ziehen, die Organisation des täglichen Grundbedarfs durch „Hamstern“, Tauschen und im Zweifelsfall auch „Kohlenklau“ von Zügen, die im Bahnhof hielten, sind kollektive Erfahrungen, die die Generation der Nachkriegsjahre nachhaltig geprägt haben. Dass es tatsächlich vor allem Frauen waren, die hier über jede ihnen zugeteilte „Frauen-Rolle“ hinauswuchsen, wurde aus fast jedem Beitrag deutlich: „Meine Mutter hat…“, so begannen viele der Geschichten jener Frauen, die damals Kinder waren. Beschützerin, Ernährerin, Handwerkerin und Organisatorin - so charakterisieren die Töchter von damals eine Frauen-Generation, die das Wort „aufgeben“ offensichtlich aus ihrem Wortschatz gestrichen hatte.
Alle Beiträge der beiden gut zweistündigen Veranstaltungen zeichnete die Klarheit aus, mit der die Frauen der Geburtsjahrgänge der Zwanziger und Dreißiger Jahres des vorigen Jahrhunderts auf diese Zeit zurück blicken. Es gelingt ihnen in faszinierender Weise die Trauer mit dem Lachen und die nüchterne Schilderung mit dem Gefühl zu verbinden, das die Erinnerung hervorruft - manchmal sogar in einem Satz, wenn eine Zuhörerin berichtet, wie sie nach Russland verschleppt wurde, gleichzeitig aber konstatiert, „dass die Russen der Meinung waren, nur Frauen mit einem breiten Hinterteil seien für schwere Arbeiten tauglich. Da war ich dann raus.“ – Befreiendes Lachen bei den Zuhörerinnen.
Und weit davon entfernt, diese „Zwischenwelt“ von Zerstörung und Wiederaufstehen zu romantisieren, ist in vielen dieser Beiträge doch immer wieder der „Zusammenhalt“ ein Thema, ebenso wie die Dankbarkeit für den Augenblick. Ilse Baroth bringt es auf den Punkt, wenn sie von einem Sinfoniekonzert berichtet, „das wir bei Wiltmann (einem bekannten Gütersloher Ausflugslokal) gehört haben. Da kann ich mich heute noch an jeden Ton erinnern.“