„Mit einem blauen Auge davon gekommen!“ Alles, was Dr. Hartmut Späh an diesem Donnerstag sagt, steht noch unter Vorbehalt. Aber der Sachverständige für Fischerei und Gewässerökologie ist sich sicher, dass das Ökosystem in der Hessel den Gülleunfall von Dienstag gut überstanden hat. Schon am Mittwoch hat er sich mit einem Vertreter der Unteren Wasserbehörde des Kreises Gütersloh ein Bild von dem Unfall und den getroffenen Maßnahmen gemacht, am Donnerstag nahm er Proben und untersuchte die Gewässer. Die Werte sind durchweg beruhigend, tote Fische finden sich ebenfalls nicht.
Der vom Kreis Gütersloh beauftragte Gutachter sieht mehrere Gründe, die dazu geführt haben, dass das Ökosystem Hessel kaum belastet worden ist. „Die Maßnahmen nach dem Unfall haben Wirkung gezeigt“, lobt der von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige die nächtlichen Anstrengungen von Feuerwehr und Landwirten. Die hatten große Mengen des Gülle-Wassergemischs aufgefangen und abgepumpt. Auch der Verursacher selbst habe richtig reagiert, indem er sofort Alarm geschlagen habe. Viele würden zunächst selbst versuchen, größeres Unglück zu verhindern. Und dann hat natürlich die Wetterlage dem Umweltschutz in die Karten gespielt: Die niedrigen Temperaturen verlangsamen die Zersetzungsprozesse, die viel von dem Sauerstoff im Wasser verbrauchen. Dazu kam das „Glück der großen Verdünnung“.
Am Zusammenfluss von Neuer und Alter Hessel hat Dr. Späh die letzten Wasserproben genommen. Hier, wo man sonst mit Gummistiefeln durchgehen könnte, hat sich die Hessel zu einem reißenden Strom entwickelt. Neben Wasserproben sucht er nach Kleinstlebewesen, der Nahrung für Fische. In seinem handelsüblichen Haarsieb findet der Biologe unter anderem Larven von Bachflohkrebsen und Eintagsfliegen. Dritte Untersuchungsmethode: Der Biologe misst die Leitfähigkeit des Wassers, ein sicheres Indiz für die Sättigung mit Salzen. Ergebnis: Überall unauffällig.
An sechs Stellen hat Dr. Späh die Gewässeruntersucht: Vom Rolfbach oberhalb der Unglücksstätte – als Referenzmessstelle – bis zum Zusammenfluss von Neuer und Alter Hessel. Die Sauerstoffwerte des Wassers sind an allen sechs Stellen nahe der Sättigungsgrenze. 11,2 bis 13 Milligramm pro Liter. Die Forelle, die in der Hessel vorkommt, benötigt mindestens 5 bis 6, einem Aal reichen auch 1 bis 2 Milligramm.
Zwei Mal noch wird der Biologe die Untersuchungen wiederholen. Sobald der Wasserstand niedriger ist, wird er zum zweiten Mal die Gewässer unter die Lupe nehmen und im April zum dritten Mal – denn dann läuft garantiert nichts mehr nach von der Gülle. Die findet sich derzeit zwischen Unglücksort und Rolfbach noch oberirdisch. Um bei den zu erwartenden Regenfällen die Gülle aufzuhalten, hat der Kreis Gütersloh Barrieren unterhalb des Hofes anlegen lassen.
Nach dem Gülleunfall riefen beim Kreis Gütersloh, sowohl in der Abteilung Gesundheit als auch bei der Unteren Wasserbehörde, besorgte Bürgerinnen und Bürger an, die sich Sorgen um ihre Trinkwasserbrunnen machten. Siegfried Gruber von der Unteren Wasserbehörde kann beruhigen: „Die Gülle befand sich in der fließenden Welle der Gewässer.“ Um die Trinkwasserbrunnen zu gefährden, müsste die Gülle über den Boden in das Grundwasser eindringen. Der Weg des Wasser ist aber umgekehrt: Die Gewässer speisen sich aus dem Grundwasser. Auch hier also Entwarnung.
Am Dienstagabend waren in Versmold-Bockhorst rund 200 Kubikmeter Gülle ausgetreten. Mit einem Großeinsatz hatte die Feuerwehr die ´ganze Nacht versucht zu verhindern, dass das Gülle-Wassergemisch in die ökologisch wertvolle Hessel gelangt. Rund 2000 Kubikmeter Gülle-Wassergemisch konnten mit Hilfe von Landwirten abgepumpt werden, am frühen Morgen waren jedoch alle Lagerkapazitäten erschöpft und die Barrieren in den Gewässern mussten entfernt werden.