Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland zweigeteilt – auf dem Arbeitsmarkt. In den Ost-Bundesländern sind erheblich mehr Frauen beschäftigt als im Westen.
Zwischen einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten liegen bis zu 27 Prozentpunkte Differenz.
Und: Die Kluft wächst weiter.
Starke Ost-West-Unterschiede prägen auch 25 Jahre nach dem Mauerfall den Arbeitsmarkt für Frauen. Während im Osten die Frauenbeschäftigungsquote 2012 bei 57,9 Prozent lag, kam der Westen auf 50,9 Prozent. Spitzenreiter unter den Bundesländern ist Sachsen (58,5 %), gefolgt von Brandenburg (58,0 %) und Thüringen (58,0 %). Die geringsten Quoten sind dagegen im Saarland (47,2 %) und in Nordrhein-Westfalen (47,5 %) zu verzeichnen, gefolgt von Niedersachsen (50,4 %) und Rheinland-Pfalz (50,6 %). Das belegen Auswertungen der Bertelsmann Stiftung aus ihrem Datenportal „Wegweiser Kommune“. Von den bundesweit 295 Landkreisen rangieren 80 Westkreise am Tabellenende, bei den 106 kreisfreien Städten sind es 54 West-Städte. Und die Analyse zeigt, dass die Kluft zwischen Ost und West weiter wächst.
Untersucht wurde die Frauenbeschäftigungsquote aller kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland. Die Quote gibt an, wie viel Prozent der weiblichen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 18 bis 64 Jahren am Wohnort als sozialversicherungspflichtig beschäftigt gemeldet sind. Seit 2006 hat sich die Quote im Osten von 50,9 auf 57,9 Prozent erhöht, im Westen von 45,8 auf 50,9 Prozent. Mit dieser grundsätzlich positiven Entwicklung nimmt aber auch die Differenz zwischen Ost und West weiter zu: von 5,1 Prozentpunkten in 2006 auf 7,0 in 2012.
Bundesweit liegt die Beschäftigungsquote der Frauen mit 51,8 Prozent immer noch deutlich hinter der der Männer (59,2 %). Dr. Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung: „Unsere Auswertungen zeigen, dass trotz des leichten Anstiegs im Zeitverlauf Handlungsbedarf besteht. Niedrige Beschäftigungsquoten erhöhen das Risiko von Altersarmut bei Frauen.“ Verstärkt wird dieser Effekt durch weitere Rahmenbedingungen. So tragen z .B. auch unterbrochene Erwerbsbiographien oder das niedrigere Lohniveau zu geringeren Einzahlungen in die Rentenkassen und damit zum Risiko einer Altersarmut bei.
Auch aus demographischer Sicht ist eine Analyse der Frauenbeschäftigungsquoten wichtig: Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte in der Altersgruppe von 25 bis 64 Jahren um 11,1 Prozent zurückgehen. Dr. Kirsten Witte, Programmdirektorin der Bertelsmann Stiftung: „Mehr Frauen eine Berufstätigkeit zu ermöglichen, ist eine Herausforderung für die Kommunen mit ihren Unternehmen und die gesamte Gesellschaft, denn gerade angesichts des hohen Qualifikationsniveaus von Frauen schlummern hier große Potenziale für den Arbeitsmarkt.“
Dass kreisfreie Städte wie Potsdam (60,1 %), Suhl (58,6 %) und Brandenburg an der Havel (58,5 %) sowie Dessau-Roßlau (58,5 %) im Osten und Heidelberg (38,7 %), Gelsenkirchen (39,7 %) und Trier (40,0 %) sowie Herne (40,7 %) im Westen so deutliche Unterschiede aufweisen, ist auch 25 Jahre nach dem Mauerfall nicht zuletzt durch unterschiedliche Rollenbilder in Ost- und Westdeutschland bedingt. Kirsten Witte: „Die Ost-Rollenbilder waren sehr lange egalitär geprägt – also beide Geschlechter in der Regel berufstätig. Im Westen ist dieses gleichberechtigte Doppelverdiener-Modell weniger stark verbreitet. Hier ist meist der Mann der Hauptverdiener.“ Besonders gravierend ist das Ungleichgewicht auf der Gemeinde-Ebene. Die Spanne zwischen der höchsten und der niedrigsten Frauenbeschäftigungsquote liegt hier bei bis zu 50 Prozentpunkten.
Große Entwicklungschancen sehen die Experten der Bertelsmann Stiftung in der Ausweitung der Beschäftigung von Frauen. Auswertungen belegen, dass erwerbstätige Frauen hoch und teilweise höher qualifiziert sind als Männer. Dieses Wissenspotenzial muss künftig besser genutzt werden. Beispielsweise könnten Frauen, die in Teilzeit arbeiten, ihre Wochenarbeitsstunden bei verbesserten Rahmenbedingungen ausweiten. Das wäre nicht nur ein Hebel zum Ausgleich der demographischen Nachteile, sondern würde auch dem persönlichen Risiko einer wachsenden Altersarmut entgegenwirken.