Seit Jahren sinkt die Wahlbeteiligung auf allen staatlichen Ebenen. Auch in Hamburg: Nie zuvor gaben dort so wenige Bürger ihre Stimme ab wie kürzlich bei der Bürgerschaftswahl (56,9 Prozent).
Sozial prekäre Stadtteile sind zu Nichtwähler-Hochburgen geworden. Eine aktuelle Studie belegt die soziale Spaltung der Hansestadt.
Das Wahlergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl ist sozial nicht repräsentativ. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Von den mehr als 560.000 Wahlberechtigten, die am Sonntag vor einer Woche auf ihre Stimmabgabe verzichteten, kommen überproportional viele aus sozial schwachen Milieus.
Die aktuelle Wahlanalyse bestätigt ein Resultat früherer Studien der Bertelsmann Stiftung: Je prekärer die soziale Lage eines Stadtviertels, desto weniger Menschen gehen wählen. In den Hamburger Nichtwählerhochburgen wohnen fast 36-mal so viele Haushalte aus sozial schwächeren Milieus, fünfmal so viele Arbeitslose und doppelt so viele Menschen ohne Schulabschluss wie in den Stadtteilen mit der höchsten Wahlbeteiligung.
In den Hamburger Wählerhochburgen dominieren das Konservativ-Etablierte und das Liberal-Intellektuelle Milieu. Im Ergebnis der Bürgerschaftswahl sind diese Milieus damit deutlich überrepräsentiert. „Das soziale Umfeld bestimmt die Höhe der Wahlbeteiligung“, sagte Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann Stiftung: „Ob jemand wählt, hängt stark davon ab, wo und wie er wohnt und ob in seinem unmittelbaren sozialen Umfeld gewählt wird oder nicht.“
Die Beteiligung an der diesjährigen Bürgerschaftswahl in den 103 Hamburger Stadtteilen wies eine nochmal höhere Spreizung auf als bei der vergangenen Bundestagswahl 2013. Damals lagen gut 30 Prozentpunkte zwischen den zehn Stadtteilen mit der höchsten und denen mit der niedrigsten Wahlbeteiligung. In diesem Jahr hingegen betrug der Abstand mehr als 35 Prozentpunkte. „Das Ergebnis der Bürgerschaftswahl ist damit sozial noch weniger repräsentativ als das Hamburger Wahlergebnis der Bundestagswahl“, sagte Vehrkamp.
Als Hauptursache der drastisch sinkenden und ungleichen Wahlbeteiligung benennt die Studie die zunehmende soziale Spaltung und die räumliche Segregation der Hamburger Stadtgesellschaft. Auch das seit 2011 geltende Hamburger Wahlrecht leistet bisher keinerlei Beitrag für eine höhere und sozial ausgewogenere Wahlbeteiligung. Stattdessen führt es zu einer weiteren Verschärfung der politischen Ungleichheit. Allein der Anteil ungültiger Stimmen lag in den sozial prekären Nichtwählerhochburgen häufig dreimal höher als in den sozial stärkeren Stadtteilen mit hoher Wahlbeteiligung.
Frühere Studien der Bertelsmann Stiftung zur Bundestagswahl 2013 hatten die soziale Ungleichheit der Wahlbeteiligung bereits für die gesamte Bundesrepublik belegt. Die Ungleichheit der Wahlbeteiligung in Deutschland hat sich demnach innerhalb der vergangenen vier Jahrzehnte verdreifacht. „Die soziale Ungleichheit der Wählerschaft hat sich verfestigt. Deutschland ist längst eine sozial gespaltene Demokratie“, sagte Vehrkamp.