Gütersloh (kgp). „In meiner sechsjährigen Tätigkeit in Russland in den 70er-Jahren habe ich in meinem Job bereits das Improvisieren gelernt und kam auch mit weniger Mitteln aus. Dennoch übertrafen die Defizite, die ich im Krankenhaus in Krywyj Rih vorgefunden habe, alle meine Befürchtungen. Das Gebäude, die Stationen, der OP-Bereich – alles war renovierungs- und nachrüstungsbedürftig.“ So beschreibt Dr. Eugen Klein, langjähriger Chefarzt für Orthopädische Chirurgie im Klinikum Gütersloh, seine Eindrücke, als er das Krankenhaus in der Ukraine vor einigen Jahren zum ersten Mal besuchte. Seit drei Jahren reist der inzwischen pensionierte Mediziner deshalb regelmäßig nach Krywyj Rih, um die Ärzte vor Ort zu unterstützen – sowohl bei der medizinischen Versorgung der Patienten, als auch mit Spenden. Erst kürzlich ist ein Hilfstransport mit Medizintechnik und weiteren medizinischen Produkten und Instrumenten in der Ukraine angekommen.
Gemeinsam mit Martin Elbracht vom Verein „Help up mit Herz und Hand“ aus Oerlinghausen sammelte er dafür bei mehreren Krankenhäusern und Händlern von Medizinprodukten Spenden: „Die Hilfsbereitschaft war groß: Insgesamt 12 Tonnen an Material kam zusammen, darunter einiges an Medizintechnik wie beispielsweise ein Ultraschallgerät, aber auch viele Einmalartikel, die für die Behandlung der Patienten benötigt werden“, so Dr. Eugen Klein. Auch Allgemeinmediziner Dr. Achim Neetz aus Garbsen, der für seine Hausarztpraxis keinen Nachfolger gefunden hatte, spendete seine gesamte Praxisausstattung.
Der Transport nach Krywyj Rih gestaltete sich schwieriger als gedacht: „Der Transporter ist Anfang Oktober nach langer Vorbereitung in die Ukraine gefahren und wurde dort vom Zoll beschlagnahmt. Erst Mitte Dezember wurden die Güter freigegeben“, erzählt Dr. Eugen Klein. In der Zwischenzeit half er deshalb weiter bei den Sprechstunden und Operationen im Krankenhaus. „In der lokalen Zeitung wurde die Ankunft eines deutschen Spezialisten angekündigt, der die Patienten kostenlos beraten wird. Diese Sprechstunde war mit einer solchen in Deutschland nicht zu vergleichen: Am liebsten hätte ich jeden zweiten oder dritten Patienten schon am nächsten Tag operiert. Die Krankheitsbilder waren weit fortgeschritten oder aber verschleppt. So was sehen wir in Deutschland nur sehr selten.“
Schwierig sei in solchen Situationen vor allem die Finanzierung der OP: „In Deutschland haben wir alle benötigten Utensilien da, um der vorgefunden Situation Herr zu werden, und müssen dank unseres Gesundheitssystems nur selten überlegen, wie die Operation bezahlt werden kann. In der Ukraine aber waren die häufigsten Fragen: ‚Was kostet die Operation?‘ und ‚Wie bekomme ich das Geld hierfür zusammen?‘. Bei mir aber kam eine ganz andere Frage auf: Womit sollen wir diese Krankheitsbilder überhaupt versorgen? Es fehlte an allem.“ So entstand die Idee, einen Hilfstransport zu organisieren, um Produkte, die in Deutschland aufgrund der technischen Entwicklung nicht mehr eingesetzt werden, noch einem guten Zweck zuzuführen.
Der Kontakt von Dr. Eugen Klein in die Ukraine besteht schon seit vielen Jahren. Seit der Auflösung der Sowjetunion kamen regelmäßig Ärzte aus den Ostblock-Staaten zu ihm, um bei Operationen zu hospitieren und sich über Erfahrungen beim Gelenkersatz auszutauschen. „Ihr Bestreben war es, die moderne westliche Unfallchirurgie und Orthopädie kennenzulernen, vor allem aber die modernen Implantate, die in ihren Heimatländern fehlten. Doch einseitiges Lernen war es nicht: Auch wir haben viel von unseren Kollegen aus dem Ausland mitgenommen. Was uns dabei immer wieder überraschte, waren der Einfallsreichtum, die Improvisationsfähigkeit und die Sparsamkeit dieser Ärzte – wohl bedingt durch den ständigen Mangel an Instrumenten und Implantaten. Wir freuen uns deshalb sehr, dass wir solche Instrumente nun für sie beschaffen konnten“, so Dr. Eugen Klein.
Der nächste Transport mit Spenden steht schon wieder kurz bevor: Das Klinikum Gütersloh vermacht dem Krankenhaus in Krywyj Rih demnächst mehr als ein Dutzend Patientenbetten, die zwar grundsätzlich noch gut erhalten sind, aufgrund der deutschen Vorschriften aber nicht mehr genutzt werden dürfen. „Wir freuen uns, dass unsere ausgemusterten Betten durch die Spende weiterhin zum Einsatz kommen und die Versorgung der Patienten in Krywyj Rih dadurch verbessert werden kann“, sagt Geschäftsführerin Maud Beste.
BU: Dimitri Scherbakow bei der Ankunft des Hilfstransporters in Krywyj Rih. Foto © Klinikum Gütersloh