Delegationsreise nach Valmiera
Gütersloh. Der fachliche Austausch ist bei den Besuchen in der lettischen Partnerregion Valmiera immer ein wichtiger Punkt. Diese Chance nutzten jetzt auch die Sozialarbeiter Gudrun Wielsch und Rainer Tschakvary-Große-Freese von der Abteilung Jugend, Familie und Sozialer Dienst des Kreises Gütersloh.
Sie folgten damit einer Einladung der Kollegen der Bewährungshilfe Valmiera, die im vergangenen Jahr zu Gast im Kreis Gütersloh waren und die Einladung zum Gegenbesuch aussprachen.
Ein wichtiges Thema war das Villigster Deeskalationsprogramm, in dem Haltungen und alternative Handlungsansätze im Umgang mit gewaltbereiten Menschen entwickelt werden können. Auch in Lettland bekommt dies immer mehr Bedeutung, da die Probleme mit Kinder- und Jugendgewalt größer werden. Ein Phänomen, das auch im Erwachsenenalter zu beobachten ist. Im Kreis Gütersloh gibt es seit 1996 eine einjährige berufsbegleitende Ausbildung zum ‚Villigster Deeskalationstrainer Gewalt und Rassismus‘.
Das Training bietet jedem Teilnehmenden die Möglichkeit, eine Haltung zum Thema Gewalt und Rassismus zu entwickeln. Die Arbeit in Gruppen erfolgt über Spiele und Übungen, bei denen die Erwachsenen oder Jugendlichen lernen, Standpunkte zum Thema Gewalt und Rassismus zu entwickeln und damit den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern. Sie erfahren dabei zum Beispiel, dass es hilft, andere nach etwas zu fragen und miteinander zu sprechen und nicht nur zu denken, was der andere denken könnte.
So haben die Teilnehmenden die Möglichkeit infolge der Erfahrungen eigene Standpunkte und ein eigenes Handlungsrepertoire zu entwickeln. Wielsch und Tschakvary-Große-Freese stellten das Programm den Vertretern der Bewährungshilfe Valmiera, der Polizei und zum Beispiel der Leiterin des Krisenzentrums anhand von praktischen Übungen vor.
Die beiden Sozialarbeiter gaben den Teilnehmern Informationen zu den Einsatzmöglichkeiten des Trainings, beispielsweise in Kindergärten, Schulen, der Jugendarbeit und der Bewährungshilfe. Angewendet wird die Deeskalation in ganz verschiedenen Bereichen, beispielsweise von der Jugendhilfe im Strafverfahren. In der Praxis erarbeitete sich die Gruppe eine Arbeitsdefinition zum Begriff Gewalt: „Gewalt tut weh, sie verletzt und das Opfer hat die Definitionsmacht.“
Zudem wurde in Übungen erarbeitet, welche Ressourcen es in der Gruppe gibt: Voraussetzungen zur Teamfähigkeit und des sozialen Verhaltens. „Es hat viel Spaß gemacht mit den lettischen Kollegen zu arbeiten“, zog Gudrun Wielsch Fazit. „Vor allem hat sich gezeigt, dass das Deeskalationstraining international verständlich ist.“
Auch das Konzept der ‚Neuen Autorität‘ nach Haim Omer wurde vorgestellt. Es basiert auf Anerkennung, Respekt und elterlicher Präsenz. Im Umgang mit gewalttätigem, verweigerndem oder ängstlich-zwanghaftem Verhalten von Kindern und Jugendlichen hat es sich als äußerst wirksame Methode herausgestellt. Ende vergangenen Jahres schlossen im Kreis Gütersloh 18 Fachkräfte die berufsbegleitende Fortbildung ‚Systemischer Coach für Neue Autorität‘ mit einem Zertifikat ab.
Ebenfalls stellten die Mitarbeiter der Regionalstelle Nord vor, welche Leistung an Opfern von Straftaten erfolgen kann: Der Täter-Opfer-Ausgleichsfond des Vereins Kriminalprävention im Kreis Gütersloh verschafft jungen Menschen die Möglichkeit, durch Arbeit (Sozialstunden) die Schadenswiedergutmachung zu leisten. „Unsere Zuhörer waren mit großem Interesse dabei und möchten auch in der Zukunft intensiver am Thema Gewalt arbeiten“, erklärt Rainer Tschakvary-Große-Freese.
Und so gibt es bereits Pläne für den weiteren deutsch-lettischen Austausch: Im Herbst dieses Jahres ist ein dreitägiges Training durch die Sozialarbeiterin Gudrun Wielsch und Deeskalationstrainer Alf Kontermann in der Bewährungshilfe Valmiera geplant.
Neben dem fachlichen Austausch besuchte die kleine Delegation der Abteilung Jugend, Familie und Sozialer Dienst die Gemeinden Beverina und Koceni. Sie besichtigten unter anderem ein neues Haus für junge Mütter, das vom Verein „Gimenes šūpulis” (Wiege der Familie) hergerichtet wurde. Die Frauen sollen dort bei der Geburt ihres Kindes unterstützt werden und können anschließend bei Bedarf im Haus wohnen. Die Kinder können so einen normalen Alltag und familienähnliche Strukturen kennen lernen. Auch Beziehungen zu Mitmenschen und menschliche Grundwerte stehen im Vordergrund. Das Haus finanziert sich ausschließlich über Spenden.