Selten hat sich die Gütersloher Kulturszene so intensiv mit sich und untereinander ausgetauscht. »Kulturentwicklungsplan« oder kurz »KEP« heißt das Zauberwort hierfür.
Rund 100 Aktive arbeiten in siebenArbeitsgruppen zu unterschiedlichenThemen zusammen – konstruktiv wiekontrovers. Carl und GüterslohTV haben»kurzma« beim KulturdezernentenAndreas Kimpel nachgefragt, wiedas Projekt gestartet ist. Entstandenist ein kurzer Zwischenbericht – dasungekürzte Interview gibt es per QRCodeoder Link als Video.
Carl: Die Kulturszene in Gütersloh ist …
Kimpel: … sehr lebendig, wenn man sie sich in der In- nenwahrnehmung ansieht. In der Außenwahrnehmung wird sie etwas bescheidener dargestellt, aber ich glau- be hier ist mehr Potenzial und im wahrsten Sinne des Wortes mehr Musik in der Kulturszene, als mancher glaubt.
Was verbirgt sich hinter der Kulturentwicklungs-
planung?
Kimpel: Einen Kulturentwicklungsplan kann man sich vorstellen, wie ein Navigationsgerät für ein Auto. Ich muss bestimmte Daten eingeben, um am Ende des Tages zu wissen, wo ich hin will. Und so ist es mit der Kulturentwicklungsplanung auch. Wir überlegen uns, wo unsere Stärken und unsere Schwächen sind und wo wir uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit der Kultur hin entwickeln wollen.
Macht die Szene denn mit?
Kimpel: Ich bin sehr überrascht, dass wir ungefähr einhundert aktive Teilnehmer erreicht haben, die sich ehrenamtlich abends treffen und jeweils etwa drei Stunden lang in den unterschiedlichen Workshops arbeiten. Meine große Angst war, dass diese hundert nach dem Auftaktworkshop nicht wiederkommen. Aber sie bleiben dabei und machen sich Gedanken über die Kultur, der nächste Workshop findet am 15. Februar statt. Eine Stadt in der Größenordnung wie Gütersloh mit hundert ehrenamtlichen, die sich abends freiwillig treffen – das verdient an dieser Stelle bereits einen Applaus.
Welche Richtung zeichnet sich ab?
Kimpel: Wir haben immer gesagt, dass dieses kein »Wünsch dir was-Konzert« werden soll, weil es immer das große Risiko der Enttäuschung birgt, wenn die Wünsche nicht erfüllt werden können. Und es zeichnet sich tatsächlich ab, dass die Beiträge immer einen Blick auf das Machbare haben und auch so formuliert werden. Es geht zum Beispiel darum, wie die Kulturkommunikation verbessert werden kann, wie man sich noch besser vernetzen kann oder wie wir das Kulturmarketing eventuell nachhaltig verbessern können? Wie können wir aber auch andere Themenfelder wie die bildende Kunst oder die Kunst im öffentlichen Raum stärker in den Mittelpunkt stellen? Natürlich geht es auch um die Frage, wie viel Förderung das braucht. Was muss vielleicht auch nicht mehr gefördert werden, weil es mittlerweile etabliert ist? Einer der größten Werte, den ich jetzt schon feststelle, ist es, miteinander über das Thema Kultur ins Gespräch zu kommen. Und ich kann mir durchaus vorstellen, vielleicht so etwas wie ein »Kulturdialog-Format« weiterführen zu können.
Sind dem KEP Grenzen gesetzt?
Kimpel: Es gibt durchaus immer wieder die Stimmen die sagen, nun haben wir das Theater gebaut aber Gütersloh braucht auch ein eigenes Kunstmuseum oder Haus für bildende Kunst. Das halte ich zum Beispiel für schwierig. Unter finanziellen Gesichtspunkten, aber auch unter der Fragestellung, ob es wirklich sinnvoll ist, so etwas zu tun. Denn ich darf nicht außer Acht lassen, wie die Region Ostwestfalen-Lippe in dem Bereich aufgestellt ist. Wir haben mit dem Marta in Herford und der Bielefelder Kunsthalle zwei wirkliche Leuchttürme im Bereich der bildenden Kunst, sehr aktive Kunstvereine und Kunstinitiativen auch in Gütersloh. Durch das Duplizieren vorhandener Einrichtungen wird die Kultursparte aber nicht automatisch besser. Ich würde mir da eher Eigeninitiativen wünschen, dass bildende Kunst Räume besetzt und dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für die künstlerische Entfaltung wichtig sind. Und letztlich, dass wir in den vorhandenen Ressourcen, die wir haben, Plattformen für bildende Kunst regiona-ler und lokaler Künstler anbieten. Aber bitte nicht noch ein Kunstmuseum wie wir sie in der Region haben.
KEP darf also auch Ernüchterung bringen?
Kimpel: Natürlich, indem einfach bestimmte Dinge klargestellt werden – was geht und was geht nicht? Das ist besser, als wenn bestehende Dinge wie Gespenster durch Jahre hinweg durch eine Stadt weben und zur Gerüchtebildung beitragen. Bei einem guten KEP kann man sagen was gut ist, was geht und was wir nicht wollen. Das schafft Klarheit.
Zeichnet sich ab, wo Gütersloh Engagement zurückfahren wird?
Kimpel: Das kann ich nicht beantworten. Ich glaube, dass es nötig ist, einen gewissen Status quo zu erhalten und auch Dinge, die vielleicht sehr fragil sind aber ge-braucht werden, auf solide Beine zu stellen. Ich nenne als Beispiel die Weberei, die jedes Jahr neu diskutiert wird. Am Ende des Tages müssen wir dahin kommen zu definieren, »wie viel Weberei möchte ich haben, wie soll der Inhalt dieser Weberei sein und was ist es mir als Stadt und auch als Kulturpolitik wert, hierfür als finanzielle Sockelfinanzierung zur Verfügung zu stellen«. Das Ganze muss dann auch mal in einer 5-Jahres-Planung münden, um nicht immer wieder dieses Fass aufzumachen. Das sorgt für Unruhe und macht es schwer, eine mittelfristige oder langfristige Planung herbeizuführen.
Darf der Gütersloher stolz auf seine Kultur sein?
Kimpel: Wir müssen insgesamt fragen: »Sind wir gute Botschafter für unsere Stadt?«. Und damit meine ich jeden Einwohner und jeden Bürger. Natürlich gibt es immer wieder Dinge, über die man negativ reden kann und die man kritisieren kann. Aber wenn wir doch alle einmal ganz ehrlich sind und eine ruhige Minute innehalten, dann müssen wir doch feststellen, dass wir in einer Art sehr prosperierenden Stadt leben. In einer Stadt, die sehr gute Versorgungsqualität in allen Bereichen vom Sozial- über den Bildungs- bis hin zum Kulturbereich bietet. Dass wir eine gute Unternehmensstruktur mit guten, familiengeführten Unternehmen haben. Dazu haben wir kurze Wege und gute Anbindungen. Ich finde, dass die Stärken Güterslohs deutlich überwiegen. Es gibt vielleicht Schönheitsreparaturen zu machen – aber nicht grundsätzlicher Art. Der Kurs, den diese Stadt einschlägt, ist der richtige. Und ja, wir dürfen positiv über die Stadt reden und dürfen uns jeder als Botschafter der Stadt empfinden.